Einsatz für ukrainische Kinder: Die Handarbeiterinnen Mine Güngörmüs, Esengül Gündogdu und Amenah Al-Hassoon mit SpendenkoordinatorinDaniela von Hoerschelmann. Bild: Nills Michaelis
Einsatz für ukrainische Kinder: Die Handarbeiterinnen Mine Güngörmüs, Esengül Gündogdu und Amenah Al-Hassoon mit SpendenkoordinatorinDaniela von Hoerschelmann. Bild: Nills Michaelis

Arbeitslose Frauen mit Migrationsgeschichte haben Etuis und Lesezeichen für ukrainische Schulkinder gefertigt. Von der Hilfsaktion zugunsten Geflüchteter sollen auch die Frauen selbst profitieren.

Hilfsorganisationen, die sich ukrainischer Geflüchteter annehmen, klagen über eine zurückgehende Spendenbereitschaft und Unterstützung. Und doch gibt es immer wieder Beispiele für Hilfsaktionen, die aufhorchen lassen. Eine davon fand an diesem Freitag ihren vorläufigen Abschluss.

An der Oskar-Heinroth-Schule in Britz wurden am Freitag Schulutensilien für ukrainische Kinder in Willkommensklassen übergeben. Bei den Etuis, Stiftehaltern und Lesezeichen handelt es sich um besondere Stücke, denn die Unikate aus Leder sind „made in Neukölln“. Sie entstanden in Handarbeit im Rahmen einer Eingliederungsmaßnahme für Zugewanderte aus dem Bezirk.

Während der vergangenen Wochen waren Amenah Al-Hassoon, Mine Güngörmüs und Esengül Gündogdu in der Werkstatt des gemeinnützigen Trägers Die Wille gGmbH damit beschäftigt, aus gespendeten Lederresten nützliche Geschenke für Kinder zu nähen. Der Fokus des sozialen Unternehmens liegt darauf, Menschen den Zugang zu Erwerbsarbeit und Bildung und somit einen Platz in der Gesellschaft zu ermöglichen.

260 ukrainische Kinder in Neuköllner Schulen

Im April gab es berlinweit 27 Willkommensklassen allein für Mädchen und Jungen aus der Ukraine. „Rund 260 ukrainische Kinder besuchen derzeit Schulen in Neukölln“, sagt Daniela von Hoerschelmann, Bürgerdeputierte im Neuköllner Bildungsausschuss, die die Utensilien in Empfang nahm.

Nach den Sommerferien rechnet sie mit einem deutlichen Zuwachs. Von Hoerschelmann koordiniert die Verteilung von Sachspenden an ukrainische Schulkinder in Bezirk. Später wird sie die Lederstücke unter anderem an der Oskar-Heinroth-Schule und der Christoph-Ruden-Schule verteilen.

Den Frauen, aber auch ihren Arbeiten ist anzumerken, dass sie mit besonders viel Herzblut bei der Sache waren. Die Accessoires würden auch in hochwertigen Schreibwarenläden oder auf einem der hippen Berliner Flohmärkte eine gute Figur abgeben.

Mitgefühl mit neuen Schülern

„Wenn ich an diese Kinder denke, die so viel durchgenmacht haben, bekomme ich Muttergefühle“, sagt Güngörmus. Güngogdu, die ebenfalls aus der Türkei stammt, ergänzt: „Diese Kinder haben ihre Heimat verloren. Das macht mich traurig. Auch in der Türkei haben wir reichlich Erfahrungen mit Krieg und Gewalt machen müssen. Daher ist es mir ein Bedürfnis, den ukrainischen Kindern eine Freude zu bereiten.“

Al-Hassoon ist aus dem Irak nach Neukölln gekommen. Sie sagt: „Ich bin selbst eine Geflüchtete. Daher ist es für mich etwas Besonderes, diesen Kindern zu helfen.“

Das Up-Cycling-Projekt – im Amtsdeutsch eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung – soll aber auch den Frauen zugutekommen. Es soll ihnen helfen, auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Unter anderem haben mangelnde Sprachkenntnisse dies bislang erschwert.

Spendenaktion gestartet

Wie auch die anderen knapp 30 Menschen, die an den Maßnahmen in den Werkstätten an der Silbersteinstraße teilnehmen, handelt es sich um Langzeitarbeitslose mit sprachlichen Defiziten in Deutsch und anderen Vermittlungshemmnissen, die beim Jobcenter Neukölln gemeldet sind. Rund 90 Prozent der Menschen, die in Neukölln begleitet werden, sind Frauen.

Auch für Erol Yildiz, der die Tätigkeit der Frauen im Rahmen des Schul-Projektes  angeleitet hat, ist der Einsatz für ukrainische Kinder ein besonderes Anliegen. Kurz nach Kriegsbeginn startete er eine Spendenaktion. Zunächst privat, später auch am Arbeitsplatz. Jetzt stapeln sich in dem Büro des Maßnahmenkoordinators Spiele und Kuscheltiere. Demnächst will er die Spenden einem Träger der Geflüchtetenarbeit übergeben.

„Diese Kinder wurden aus ihrem vertrauten Leben gerissen, da wollte ich was tun“, sagt Yildiz. Die große Spendenbereitschaft gerade der Frauen, die selbst Unterstützung brauchen, hat ihn tief beeindruckt. „Das sind Menschen, die selbst fast nichts haben“, sagt er.

Projektpartner gesucht

Das Herstellen der Schulutensilien für ukrainische Kinder knüpft daran an. Yildiz setzt sich dafür ein, dass dieses Beispiel eines interkulturellen sozialen Projektes Schule macht. Derzeit sucht er nach Kooperationspartnern im Bezirk.

Text: Nils Michaelis