Mitte hat die meisten Schulschwänzer in ganz Berlin.
Sie lungern lieber biertrinkend in Einkaufszentren und Spielhallen rum, oder hängen mit Kumpels vor dem Computer ab. Alles ist cooler, als die Schulbank zu drücken. Und die Zahl der Schulschwänzer in Berlin steigt dramatisch. Sie nennen die verschiedensten Motive: Angst vor Mobbing, mangelnde Unterstützung zu Hause, aber auch Resignation. „Ich habe sowieso keine Chance, am Ende bleibt mir ja doch nur Hartz IV.“ So wird aus der Jugend von heute in vielen Fällen die Generation Hoffnungslosigkeit.
Erschütternde Zahlen
Deshalb wollte der SPD-Abgeordnete Joschka Langenbrink vom Senat wissen, wie viel Schüler in Berlin tatsächlich den Unterricht schwänzen. Die aktuelle Antwort der zuständigen Senatsverwaltung ist erschütternd: Im ersten Schulhalbjahr 2015/16 blieben 17,59 Prozent der Schüler bis zu zehn Tage der Schule fern. Im zweiten Halbjahr stieg diese Zahl auf 20,84 Prozent. Das heißt: Jedes fünfte Berliner Schulkind hat sich schon mal vor der Schule gedrückt. Der Bezirk Mitte ist im Berliner Vergleich Spitzenreiter in Sachen Schulschwänzen. Im vergangenen Schuljahr wurden fast 1.400 Schulversäumnisanzeigen gestellt. „Unser Bezirk ist zum einen bevölkerungsreich und hat zum anderen Gebiete mit großen sozialen Herausforderungen“, erklärt Carsten Spallek die hohen Schwänzer-Zahlen. Bußgeldverfahren oder polizeiliche Zwangszuführungen gab es keine. Im Nachbarbezirk Neukölln wurden 990 Schulversäumnisanzeigen erstattet und sogar 542 Bußgeldverfahren verhängt.
Wenn ein Schulpflichtiger unentschuldigt fehlt, gibt es eine Reihe von rechtlich bindenden Maßnahmen: Die Schulen sind verpflichtet, dem Schulamt mit einer Versäumnisanzeige zu melden, wenn Schüler an fünf (nicht notwendigerweise aufeinanderfolgenden Tagen) in einem Halbjahr fehlen. Geht eine solche Anzeige ein, werden das Jugendamt und der schulpsychologische Dienst informiert. Gleichzeitig lädt die Schule die Erziehungsberechtigten zu einem Gespräch und das Schulamt zu einer Anhörung. Kommen die Eltern dieser Aufforderung nicht nach und ihr Kind erfüllt auch weiterhin nicht die Schulpflicht, liegt eine Ordnungswidrigkeit vor. Diese kann mit einem Bußgeld bis zu 2.500 Euro geahndet werden. Die bezirklichen Schulbehörden haben außerdem die Möglichkeit, Zwangsgelder bis zu 50.000 Euro zu erheben. Auch die zwangsweise Zuführung der Schüler durch die Polizei ist möglich. Das ist selten, kam aber im vergangenen Jahr zum Beispiel in Pankow, Spandau, Treptow-Köpenick und Marzahn-Hellersdorf vor. „Schuldistantem Verhalten muss so früh wie möglich begegnet werden, sensibel und konsequent. Das bedeutet, hinsehen und handeln – nur so lassen sich Schüler zurückgewinnen“, erklärt Schulsenatorin Sandra Scheeres.
Nicht nur Sanktionen
Um Schulschwänzer von ihrer Pflicht zu überzeugen, sei ein Handeln seitens der Schule geboten, so Spallek. Zwischen der Schulaufsicht, Außenstelle Mitte, dem Jugendamt und dem Schul- und Sportamt sei eine gute Verfahrensweise vereinbart worden. Das Schulamt Mitte setze auf konstruktive Gespräche, nicht nur auf Sanktionen. „Aktuell fehlt es aber – wie bekannt – an Personal in Schule und Jugendamt, sodass es ein Umsetzungsproblem gibt“, sagt Spallek. Hier sei mit Blick auf den neuen Senat und die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag Besserung zu erhoffen.
Anke Walter & Sara Klinke, Bild: Thinkstock/iStock/Yalana