LITERATUR Fabian Saul schickt in seinem Prosadebüt „Die Trauer der Tangente“ einen Flaneur durch Berlin.
Es gibt diese Bücher, bei deren Lektüre man ständig zu Papier und Stift (oder Handy) greifen möchte, um sich all die wunderbaren Sätze aufzuschreiben, über die man stolpert. „Die Trauer der Tangente“ von Fabian Saul ist so ein Buch.
Der in Berlin lebende Saul ist Chefredakteur des Magazins „Flaneur“, das jede Ausgabe einer Straße der Welt widmet. Zudem komponiert er Filmmusik. In seinem Debütroman kommen sein Schreib- und sein Komponiertalent zusammen.
Eine Matratze als Andenken
Der Protagonist, ein junger Mann, streift durch Berlin und wird an jeder Ecke an seinen jüngst verstorbenen Freund erinnert. An zwei Orte kommt er immer wieder zurück: in ein Café in der Linienstraße und in die Wohnung des Freundes, in der sich nur dessen Matratze befindet, „160×200, Grundriss eines Körpers“. Auf dieser ist der Freund eingeschlafen und nicht wieder aufgewacht.
Saul ergänzt diese Erinnerungen mit den Stimmen von Philosophen und Literaten wie Walter Benjamin, Simone Weil oder Nelly Sachs, also Menschen, deren Leben ebenfalls viel zu früh endeten. Jeder Absatz bildet eine Art Psalm, der Einblick in das Innenleben des Zurückgelassenen gibt. Poetisch, essayistisch, singend, so kommt sie daher, diese „Trauer der Tangente“, und man trägt sie noch lange bei sich, im Kopf und im Herzen.
Fabian Saul: Die Trauer der Tangente, Matthes & Seitz Berlin, 320 Seiten, 26 Euro.
Text: Marie Ladstätter