
STADTGESCHICHTE Ein alter Rangierbahnhof und der Traum vom neuen Stadtviertel in Pankow
Heute ist der Streifen entlang der S-Bahn zwischen den Bahnhöfen Pankow und Heinersdorf eine Wildnis am Rande der Stadt, grün und – bei Wind – staubig. Nur noch wenige Fundamente erinnern daran, dass sich hier einst der größte einseitige Güter- und Rangierbahnhof Deutschlands mit einer Tagesleistung von 3.800 Waggons (1917) befand.
Täglich kamen hier Waren und Lebensmittel für die Bevölkerung der Hauptstadt an, die von hier aus zu den Bahnhöfen Gesundbrunnen, Stettiner Bahnhof und – einmal die Woche – zum Centralviehof weiter transportiert wurden. In der unmittelbaren Nachkriegszeit kamen ungezählte Flüchtlinge aus Ostpreußen hier an, zu DDR-Zeiten wurden von Pankow aus die vorgefertigten Plattenelemente für das Bauprogramm angeliefert.
1997 war damit Schluss, der Bahnhof wurde stillgelegt, die alten Gebäude in den nächsten zehn Jahren sukzessive abgerissen, nur die weithin sichtbaren Rund- und Ringlokschuppen, erbaut im Jugendstil, blieben erhalten. Im Jahr 2009 erwarb der Unternehmer Kurt Krieger, Besitzer der Berliner Traditionsfirma Möbel Krieger und in Pankow aufgewachsen, das 250.000 Quadratmeter große Gelände. Und damit begann ein seit 16 Jahren andauernder Streit. Investor Krieger wollte hier zunächst nur ein neues Einkaufszentrum mit Möbelhaus und einen Park errichten.
Bürokratiemonster Berlin
Doch mit der Zeit wurden die Pläne immer ambitionierter: Heute umfasst der aktuellste Plan bis zu 2.500 Wohnungen, eine Grundschule, zwei Kindertagesstätten, eine Einkaufsstraße, Büros und einen Stadtpark.
Nun sind 16 Jahre alleine für den Plan eine mächtig lange Zeit, selbst für ein Bürokratiemonster namens Berlin. Im Senat Wowereit gab es mit dem Bausenator Michael Müller (SPD) einen Bremser, auch unter seiner Nachfolgerin Katrin Lompscher (Linke) reichte es nur für eine Grundsatzvereinbarung.
Es waren dann der aktuelle Bausenator Christian Gaebler (SPD) und der Pankower Stadtrat Cornelius Bechtler (Bündnis 90/Die Grünen), die Kriegers Masterplan vom Kopf auf die Füße stellten: Im März 2025 schloss man einen gemeinsamen Erschließungsvertrag ab. In einem Interview mit rbb24 sprach Bechtler ganz offen über die Gründe:„Das Land Berlin hat seine Erwartungen an das Bauprojekt erst sehr spät formuliert“, und er fährt fort, „dadurch haben wir eine Menge Zeit verloren.“ Immerhin: Was man bisher geschafft hat, ist die komplette Renovierung des großartigen Rundlokschuppens, der bereits in einem erbärmlichen Zustand war und einzustürzen drohte.
Doch was anfangen mit dem Zweckgebäude? In London gibt es ein sehr ähnliches Bauwerk, das in den 1960er Jahren zu einem Mekka für Bluesmusiker geworden ist und auch heute noch als Kultur- und Veranstaltungszentrum dient.
Eine andere, hoch umstrittene Frage ist die Population der Kreuzkröte auf dem Areal, um deren Umsiedlung in eine benachbarte Laubenkolonie derzeit gerungen wird. Der Naturschutzbund NABU hat einige Einwände (siehe Seite 1). Auch dieser Streit hat einiges Verzögerungspotenzial.
Zumindest die Politiker und der Bauherr sind sich ihrer Verantwortung bewusst: „Mitten in der Krise der Demokratie sagen die Menschen, ihr müsst auch mal etwas hinkriegen“, weiß der zuständige Baustadtrat Bechtler. Auch Kurt Krieger drängt jetzt auf den Baubeginn, weiß er doch genau, dass der Bau dieses neuen Stadtviertels mindestens zehn Jahre dauern wird.
Text: Lutz Göllner
