Potsdam (dpa) – Nach den schweren Erdbeben in Istanbul halten Wissenschaftler weitere Nachbeben für möglich. «Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es zwei Szenarien: Entweder ist die unmittelbare Region nun vorerst entspannt und die Seismizität klingt langsam ab, oder die durch das Beben erzeugten Spannungsumlagerungen erhöhen die Wahrscheinlichkeit für ein größeres Erdbeben in der Region», sagte Marco Bohnhoff vom Potsdamer Helmholtz-Zentrum für Geoforschung (GFZ). Man beobachte die Vorgänge sehr genau.
Das Beben am Mittwoch sei das Schwerste in der Region seit über 25 Jahren gewesen. Nach GFZ-Angaben hatte das erste Erdbeben eine Stärke (Magnitude) von 6,2 in einer Tiefe von rund zehn Kilometern, etwa 60 Kilometer westlich von Istanbul im Marmarameer. Nur 13 Minuten später habe die Erde erneut gebebt, diesmal mit einer Stärke von 5,3 in etwa 40 Kilometern Entfernung. Auch in Griechenland und Bulgarien waren die Erdstöße zu spüren.
Experten halten starkes Erdbeben für überfällig
Das zweite Beben deutet den Wissenschaftlern zufolge darauf hin, dass die Spannungen sich verlagert haben. Dadurch seien weitere Erdstöße wahrscheinlicher.
Die Region um das Marmarameer in der Nähe der Millionenstadt Istanbul besitzt den Experten zufolge eine der risikoreichsten geologischen Strukturen weltweit: Dort treffen zwei tektonische Platten aufeinander, die eurasische und die anatolische. Der Bereich unterhalb des Marmarameeres südlich von Istanbul sei der einzige Bereich der gesamten Plattengrenze, der seit über 250 Jahren kein Starkbeben mehr generiert hat. Experten gehen seit langem davon aus, dass ein Beben rund um die Stärke 7 in Istanbul überfällig ist.