Berlin (dpa) – Die Verlängerung der Stadtautobahn A100 ist nach zwölf Jahren Bauzeit und Hunderten Millionen Euro in Berlin eröffnet worden. Begleitet von Protesten gaben Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder und Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (beide CDU) den 3,2 Kilometer langen Abschnitt frei. «Insbesondere diejenigen, die auf das Auto angewiesen sind, werden ab sofort Verbesserungen spüren», sagte Schnieder. Schließlich habe nicht jeder das Glück, direkt neben einer U-Bahn- oder S-Bahn-Station zu leben.
Die ersten Fahrzeuge fuhren am Nachmittag über die Strecke – vorher bildete sich eine Warteschlange. Unter den Ersten war ein Autofahrer, der stundenlang auf den Start gewartet hatte. «Ich bin heiß darauf, als Erster über die Autobahn zu fahren», sagte er dem «Tagesspiegel». Ein Motorradfahrer sprach von einem «einmaligen Moment». Es gab aber auch Proteste und Kritik.
«Trasse zerschneidet die Stadt»
Viele überzeugen die Argumente für das neue Teilstück nicht. «Diese Trasse zerschneidet die Stadt, heizt sie auf – klimatisch wie sozial», teilte Greenpeace-Verkehrsexpertin Lena Donat mit. «Statt jetzt mit dem nächsten Abschnitt weitere Milliarden Euro in eine aus der Zeit gefallene Stadtautobahn zu pumpen, auf der Menschen auch künftig im Stau stehen werden, könnte Berlin mit diesem Geld zu einer modernen Großstadt wie Paris werden, mit einer Mobilität für Menschen statt für Autos.» Paris hat in den vergangenen Monaten und Jahren immer mehr Straßen für den Autoverkehr gesperrt. Der Berliner Senat denkt hingegen neben dem Autobahn-Ausbau auch über eine Ausweitung von Tempo 50 nach.
Mit dem in Betrieb genommenen 16. Bauabschnitt zwischen dem Dreieck Neukölln und dem Stadtteil Treptow soll der Berliner Osten besser ans Autobahnnetz und insbesondere an den Flughafen BER in Schönefeld angeschlossen werden. Das neue Teilstück war zunächst noch nicht bei Google Maps zu sehen.
Bauarbeiten begannen 2013
Die Baumaßnahmen für das Teilstück hatten schon 2013 begonnen. Damals wurden Kosten in Höhe von mehr als 450 Millionen Euro veranschlagt, mit der Fertigstellung wurde bereits für 2021/2022 gerechnet. Inzwischen belaufen sich die Kosten auf mehr 720 Millionen Euro. Auch deshalb sehen viele Menschen die Verlängerung kritisch. Einige sprechen von Deutschlands teuerster Straße.
Verkehrsminister Schnieder verwies zur Begründung auf die technische Komplexität des Projekts, auf Lieferengpässe infolge des Kriegs in der Ukraine sowie auf die Folgen der Corona-Pandemie. Zwei Drittel der Trasse verlaufen in einem bis zu sieben Meter tiefen Trog. Der Verlauf der Querstraßen und der Bahntrassen musste bei dem Bau berücksichtigt werden.
Bund und Land: 17. Bauabschnitt muss folgen
Berlins Landeschef Wegner sagte, die längere A100 werde den Verkehr aus den angrenzenden Wohngebieten ziehen und auf die Autobahn verlagern. Doch damit dieses Ziel aufgeht, ist aus Sicht der derzeitigen Landes- und Bundesregierung noch eine weitere Verlängerung der A100 in Richtung Norden zwischen Treptower Park und Storkower Straße nötig. «Die Stadtautobahn ist seit vielen Jahren die Hauptschlagader der Mobilität in unserer Stadt», sagte Wegner dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB).
«Der 16. Bauabschnitt macht nur richtig Sinn, wenn man auch den 17. anschließt», betonte Schnieder. «Nur dann kann das gesamte A100-Projekt seinen tatsächlichen Nutzen voll entfalten.» Der heutige Meilenstein sei nur ein Zwischenstopp. «Der 17. Bauabschnitt muss folgen.» Der Ausbau der A100 sei im Bundesverkehrswegeplan fest verankert, hieß es aus dem Verkehrsministerium. Zum 17. Bauabschnitt werde die bundeseigene Autobahn-Gesellschaft bald eine Vorzugsplanung vorschlagen.
Unverständnis und Empörung bei Gegnern
Bei Kritikern stoßen solche Aussagen auf Unverständnis und Empörung. Vor dem Hotel, in dem die Eröffnung zelebriert wurde, versammelten sich in der Spitze laut Polizei rund 280 Gegnerinnen und Gegner des Ausbaus und forderten einen sofortigen Stopp der Planungen für den 17. Abschnitt. Das Bündnis «A100 wegbassen» entrollte am Vormittag an der Treptower Ausfahrt des neuen Abschnitts ein Banner mit dem Schriftzug «ENDE».
Auch der Verkehrsforscher Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung sieht das Projekt kritisch. «Die verlängerte A100 wirkt wie ein Staubsauger; die Autobahn zieht den Verkehr an, bündelt ihn und spuckt ihn einfach in Treptow und Lichtenberg wieder aus», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. «Statt den Verkehr zu beruhigen, spitzt die Autobahn die Verkehrslage künstlich weiter zu.» Mit Blick auf den geplanten 17. Bauabschnitt fügte er hinzu: «Die Autobahn erzeugt Verkehr, den es vorher gar nicht gab und schafft damit erst das Problem, das vorher gar keines war.»