Aktivisten der Klimaschutzgruppe Letzte Generation während einer Straßenblockade auf dem Mehringdamm.
Aktivisten der Klimaschutzgruppe Letzte Generation während einer Straßenblockade auf dem Mehringdamm. Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa

– Meinung –

Kolumne: Der Journalist und Publizist Roland Tichy über Klimakleber, Staus und Pflichtbewusstsein.

In früheren Zeiten mussten Reisende mit Raubrittern rechnen, gierigen Zöllnern, einfachen Räubern und trickreichen Dieben. Heute mit Klimaklebern, die unseren Verkehr blockieren. Am liebsten in Städten, in denen die Aufmerksamkeit der Medien ihnen ebenso gewiss ist wie eine Polizei, die sie vor wütenden Autofahrern beschützt, einer Justiz, die schlimmstenfalls verständnisvoll die Stirn runzelt und einer Politik, die volles Verständnis zeigt.

Aber die Krankenschwester kommt bestenfalls verspätet zum Dienst, der Arzt nicht in den OP-Saal, der Klempner nicht zum verstopften Rohr, der Bauhandwerker nicht aufs Gerüst, der Amazon-Fahrer nicht zum Kunden. Taxi-Fahrer bringen ihre Fahrgäste nicht pünktlich ans Ziel, die Bahn verspätet sich, weil ihre Mitarbeiter Stunden über Stunden im Stau stecken.

Dem Klima ist das egal

Hilft das dem Klima? Kaum. Besser gesagt: gar nicht. Autos laufen im Leerlauf, der Blutdruck steigt, die Zornesader schwillt, Steuergelder werden für Überstunden von Polizisten ausgegeben, die fehlen, wenn andernorts Schutz und Hilfe gebraucht werden. Dem Klima ist das ziemlich egal.

Warum bleiben wir nicht einfach zu Hause? Warum kehren wir nicht einfach um, fahren zurück, verbringen den Tag im herbstlichen Garten oder mit der Familie? Jeder Klimaklebertag ein zusätzlicher Feiertag! Der Wasserhahn tropft, die Kunden warten, die Patienten leiden, es wird weder gebaut noch an den Schulen gelehrt, und die Kinder in Kita und Kindergarten müssen eben nach Hause kommen, irgendwie.

Durch den Klimastau quälen

Also? Machen wir doch unseren Frieden mit den Klimaklebern, bleiben wir zu Hause. Natürlich machen wir das nicht. Die Versorgung bräche zusammen, im Supermarkt wie in der Klinik, in der Fabrik wie im Büro und der Verwaltung. Deswegen quälen sich die Betroffenen irgendwie durch den Klimastau. Aus Pflichtgefühl, aus Verantwortung.

Wer arbeitet und Steuern zahlt, der weiß, dass auf ihn keine Rücksicht genommen  und die Polizei ihn nicht schützen wird. Die Klimakleber sagen uns: Wer arbeitet, der ist der Dumme.

Text: Roland Tichy