CDU-Politiker und IG Metall verweisen auf sensible IT-Projekte des Betriebs.
Glaubt man den Ankündigungen von Senat und Siemens-Konzern, dann steht dem Industriestandort im Spandauer Osten im Zeichen der „Siemensstadt 2.0“ eine glorreiche Zukunft bevor. Derzeit hat die Siemensstadt allerdings mit einer handfesten Krise zu tun. Der US-Konzern Infinera hat angekündigt, Ende September seinen Produktionsstandort am Siemensdamm zu schließen. Damit sind rund 400 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Für eine Stadt, in der Jobs in der Industrien ohnehin rar sind, wäre das ein immenser Verlust.
Profitables Werk
Vertreter der Gewerkschaft IG Metall haben bereits mit der Arbeitgeberseite verhandelt, bislang allerdings ohne Ergebnis. Für vergangenen Montag hatte die IG Metall zu einem Autokorso Richtung US-Botschaft aufgerufen, wo die Beschäftigten eine Kundgebung abhalten wollten. „Die Geschäftsführung will die Beschäftigten mit Brosamen abspeisen. Wir aber wollen, dass das Werk, seine Beschäftigten und das wichtige Know-how in Berlin bleibt“, sagt Regina Katerndahl, Zweite Bevollmächtigte der IG Metall Berlin. Die Fertigungsstätte in Spandau sei profitabel, innovativ und einer der wenigen Standorte in Deutschland, an denen optische Übertragungssysteme und Systemlösungen für 5G-Datenautobahnen gefertigt werden können. Das sei auch für die Datensicherheit in Deutschland relevant.
„Deutsche Behörden können in unserem Land die Sicherheit der Produkte und damit den sicheren Datenfluss sehr viel besser prüfen und durchsetzen als an ausländischen Standorten, auf die sie keinen Zugriff haben“, erklärt Birgit Dietze, Erste Bevollmächtigte der IG Metall Berlin. „Die Bundeskanzlerin sollte daher jetzt handeln, damit das Fertigungs-Know-how in Deutschland bleibt.“ Nach Informationen aus dem Betriebsrat sollen die Verhandlungen mit der Konzernführung voraussichtlich in diesem Monat fortgesetzt werden. Das Management äußerte sich bislang nicht öffentlich zur Sache.
Sensible Projekte
Auch der Spandauer CDU-Bundestagsabgeordnete Kai Wegner setzt sich dafür ein, den Infinera-Standort zu erhalten. „Ich habe Anfang des Monats im Bundeskanzleramt sowie bei den Bundesministerien für Wirtschaft und Verteidigung um Unterstützung für den Standort geworben“, so Wegner. Eine Verlagerung der Produktion ins Ausland könnte bedeuten, dass sensible Projektbeschreibungen zur Sicherheitsarchitektur deutscher Behörden durch vielerlei Hände gehen, warnt er. Wirtschaftsstadtrat Gerhard Hanke (CDU) habe versichert, alles dafür zu tun, um Infinera im Bezirk zu halten. „Wenn der Regierende Bürgermeister Michael Müller und Wirtschaftssenatorin Ramona Pop dies ebenfalls tun würden, wäre es ein starkes Signal für den Standort“, sagt Wegner.
Wegen der Sicherheitsthematik und durch die Tatsache, dass es sich um einen US-Investor handelt, sollte vor allem der Bund ein Interesse haben, das Know-how und die Produktion in Deutschland zu halten. Wegner: „Infinera würde hervorragend zur Siemensstadt 2.0 passen. Wir brauchen Industriearbeitsplätze in Berlin.“ Bei einer Online-Petition für den Erhalt des Werks wurden bis zum Redaktionsschluss mehr als 3.000 Unterschriften gesammelt, die Liste soll dem Abgeordnetenhaus übergeben werden.
Datum: 15. Februar 2019. Text: Nils Michaelis. Bild:imago/Jürgen Ritter