Polizei Blaulicht

Erst ein Brandanschlag, dann offenbar eine angedrohte Sprengstoffattacke: Das Hausprojekt in der Jagowstraße 15 in Spandau sieht sich zunehmend bedroht. Menschen aus dem Bezirk solidarisieren sich mit der Jagow 15.

In der Nacht vom 18. auf den 19. April legten Unbekannte Feuer im Hinterhof des Wohnprojekts Jagow 15 in Spandau. Eine Garage stand in Flammen, zwei Autos brannten aus. Menschen und Wohnungen seien nicht zu Schaden gekommen, berichtet die Initiative.

Nur zwei Tage später, in der Nacht vom 20. auf den 21. April, waren die Hausbewohner erneut in Angst: Schlagartig habe sich die Polizeipräsenz vor der Tür massiv erhöht. „Auf Nachfrage erhielten wir die Information, dass eine akute Bedrohungslage vorliegt“, teilt die Gruppe schriftlich mit. „Später erfuhren wir, dass ein anonymer Anruf bei der Polizei eingegangen war, in dem angekündigt wurde, dass ein möglicher Sprengstoffangriff auf das Haus stattfinden soll. Diese Bedrohung veranlasste einen sofortigen Polizeieinsatz zur Entschärfung der Umgebung rund ums Haus.“

Vergleich zur Mordserie des NSU

„Wir sind geschockt davon, wie organisiert unser Haus terrorisiert wird“, heißt es weiter. „Die Geschehnisse der letzten Tage stärken die Vermutung, dass hinter den Angriffen eine rechtsextreme Koordination steht.“ Die Verfasser des Scheibens vergleichen die Vorfälle mit der Reihe von rechtsextremen Übergriffen in Neukölln und mit der Mordserie des NSU.

Die Menschen hinter der Jagow 15 beschreiben ihre Hausgemeinschaft als „Zuhause verschiedenster Individuen aus vielen Generationen, Kulturen und Lebensarten“. Und: „In verschiedenen Konstellationen gestalten Familien, Wohngemeinschaften und Einzelpersonen ein solidarisches Miteinander. Nach längerem Stillstand versuchen wir jetzt in neuen Konstellationen mit einem Strukturwandel das Haus neu als Projekt zu gestalten.“

Rufen diese Aktivitäten im Zeichen von Weltoffenheit Rechtsextremisten und Neonazis auf den Plan? Die Polizei hält sich bislang bedeckt, was die Ermittlungsergebnisse betrifft. Für die Jagow 15 scheint die Sache klar zu sein. Die Gruppe gibt sich kämpferisch: „Wir leben in einem internationalen, diversen Kiez – und Brandanschläge verändern nichts daran, dass Berlin eine weltoffene und bunte Stadt ist.“

Bekenntnis zu einem vielfältigen Spandauer Kiez

Aus dem Bezirk Spandau kommen Solidaritätsbekundungen. „Die Brandanschläge auf das Hausprojekt Jagowstraße 15 haben sowohl uns als auch den Kiez erschüttert“, teilt das Quartiersmanagement Spandauer Neustadt mit. „Menschen vielfältigster Herkünfte, mit unterschiedlichen Lebensvorstellungen, Erfahrungen und Glaubensrichtungen sind Teil der Neustadt.“ Und weiter: „Wir stellen uns aktiv gegen die Verbreitung von Angst und Hass. Auch zukünftig werden es die Menschen der Neustadt sein, die diesen Kiez prägen – gern mit den Nachbarinnen und Nachbarn aus der Jagowstraße 15.“

Die Spandauer Bundestagsabgeordnete Helin Evrim Sommer (Die Linke) fordert die Polizei auf, „in alle Richtungen – und zu allererst in Richtung eines rechtsextremistischen Hintergrunds – zu ermitteln“. Die Kette der Ereignisse und weitere Taten im Umfeld würden darauf hindeuten, dass die Jagow 15 im Ziel von Rechtsextremisten sei. „Den Bewohnern und den Freunden der Jagow 15 gilt unsere ganze Solidarität.“

Datum: 29. April 2021, Text: Nils Michaelis, Bild: imago/Sabine Gudath