Sarrazin stellte Bilanz seines Bestsellers vor und äußerte sich zur AfD und Friedrich Merz.
Sarrazin stellte Bilanz seines Bestsellers vor und äußerte sich zur AfD und Friedrich Merz. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Berlin (dpa/bb) – Der frühere SPD-Politiker und Bestseller-Autor Thilo Sarrazin sieht das Erstarken der AfD als einen «dringend notwendigen Weckruf für SPD und CDU» bei der Frage der Einwanderungspolitik. Die Grünen könne man nicht mehr aufwecken, «das habe ich aufgegeben», sagte Sarrazin bei der Vorstellung seiner kommentierten Neuauflage des 2010 heftig diskutierten und kritisierten Buchs «Deutschland schafft sich ab» mit dem erweiterten Titel: «Die Bilanz nach 15 Jahren». 

Sarrazin, der am Mittwoch 80 Jahre alt wurde, sagte weiter, der Kanzlerkandidat von CDU/CSU, Friedrich Merz, habe in der Migrationspolitik das Problem verstanden, «wenn die etablierten Parteien der Mitte auf die Sorgen von 65 Prozent der Bevölkerung keine sachliche und politisch adäquate Antwort geben». 

Sarrazin spricht über sogenannte Brandmauer

Die Diskussion um die sogenannte Brandmauer zur AfD sei eine entscheidende politische Frage, sagte Sarrazin. «Damit SPD und Teile der CDU/CSU auf eine vernünftige Politik einschwenken, braucht es das Drohpotenzial, notfalls auch bestimmte einzelne Fragen zusammen mit der AfD entscheiden zu können.» Solange dieses Potenzial nicht vorhanden sei, «bleibt Friedrich Merz bei den Koalitionsverhandlungen ein zahnloser Tiger». 

Der Neuauflage seines mehr als 1,5 Millionen Mal verkauften Buches «Deutschland schafft sich ab» fügte Sarrazin eine Bilanz seiner damaligen Thesen zu Einwanderung, Demografie, Bildung und wirtschaftlicher Entwicklung bei. In die jeweiligen Kapitel sind in blauer Schrift Kommentare und neue Zahlen eingearbeitet, insgesamt etwa 60 zusätzliche Seiten. Dazu gestellt ist eine frühere Erwiderung auf Argumente seiner Kritiker und ein Kapitel zur Medienresonanz. 

«Leider habe ich in den meisten Prognosen Recht behalten», zog Sarrazin sein Fazit 15 Jahre nach Erscheinen seines umstrittenen Buches. Wo er sich geirrt habe, sei die Entwicklung noch negativer verlaufen. So gebe es weit mehr als damals «kulturfremde Masseneinwanderung» und eine schlechtere wirtschaftliche Entwicklung. Er sage das mit einer gewissen Trauer, «denn ich liebe Deutschland zu sehr, um mich über mein Rechtbehalten wirklich freuen zu können».