
Berlin (dpa) – Aus psychiatrischer Sicht ist die Teillegalisierung von Cannabis problematisch. «Ich erlebe in meiner Ambulanz genau den Effekt, den ich befürchtet hatte: dass viele Patientinnen und Patienten, die sowieso schon betroffen sind, in den letzten Monaten eine Zunahme des Substanzkonsums angeben», sagte Stefan Gutwinski, Oberarzt an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité. «Die Gesetzeslage macht es mir als Psychiater jetzt schwerer, würde ich sagen.»
Wissenschaftler hatten vor der Teillegalisierung vor etwa einem Jahr davor gewarnt, dass die Zahl der Psychosen steigen werde. Aus Gutwinskis Sicht lohnt sich der Blick nach Kanada, wo Cannabis schon länger legalisiert ist, und wo systematisch Daten auch zur Zahl der Psychosen erfasst würden. «Da sind die Daten sehr eindeutig, dass die Zahlen der Psychosen und der Vergiftungen und des Konsums vor allem unter Jugendlichen zunehmen», sagte Gutwinski. «Aus psychiatrischer Perspektive ist der Einführung von Cannabis insgesamt kaum etwas Positives abzugewinnen, weil es einfach eine schädliche Substanz ist, die Jugendliche und viele unserer Patienten und Patientinnen schädigt.»
«Wer an Psychosen leidet, hört oft Stimmen oder hat Warngedanken», erklärte Gutwinski. «In der Regel sind diese Symptome sehr angstmachend.» Häufig litten darunter Menschen, die sehr schwere Traumata erlebt haben oder bestimmte Substanzen konsumieren. Cannabis gehöre zu den Substanzen, die das begünstigen. Auch genetische Faktoren erhöhen das Risiko.
Cannabis ist in Deutschland seit April 2024 für Erwachsene freigegeben. Seit Juli darf die Droge laut Cannabis-Gesetz in speziellen Vereinen gemeinschaftlich angebaut und an Vereinsmitglieder abgegeben werden. Zuhause dürfen drei Pflanzen angebaut werden.
Experten gehen davon aus, dass Teenager nun deutlich leichter an Cannabis kommen als zuvor. Dass Cannabis besonders den noch nicht ausgereiften Gehirnen Jugendlicher schadet, haben Studien schon mehrfach gezeigt. Zu den bisher bekannten Folgen regelmäßigen Cannabis-Konsums in der Pubertät gehört Experten zufolge neben dem höheren Risiko für Psychosen ein um bis zu etwa zehn Punkte sinkender IQ-Wert.