Berlins Parlamentspräsidentin Cornelia Seibeld (CDU) bemängelt die Debattenkultur im Abgeordnetenhaus. (Archivfoto)
Berlins Parlamentspräsidentin Cornelia Seibeld (CDU) bemängelt die Debattenkultur im Abgeordnetenhaus. (Archivfoto) Foto: Jens Kalaene/dpa

Berlin (dpa/bb) – Berlins Parlamentspräsidentin Cornelia Seibeld plädiert für ein konsequentes Vorgehen gegen Regelverstöße bei Debatten im Abgeordnetenhaus. «Der Tonfall und die Stimmung im Parlament sind in den vergangenen Jahren rauer geworden», sagte die CDU-Politikerin auf dpa-Anfrage. 

«Lebendige Debatten sind das Salz in der Suppe. In einem Parlament dürfen und sollen deutliche Worte fallen», sagte Seibeld. «Die parlamentarische Auseinandersetzung hat jedoch Grenzen. Beleidigende, strafrechtlich relevante Äußerungen und persönliche Diskreditierungen sollten tabu sein.» 

Aufgabe der Präsidentin sei es, einen geordneten Sitzungsablauf und die Würde des Parlaments zu wahren. «Grundsätzlich gilt: Wer gegen die parlamentarischen Gepflogenheiten verstößt, muss mit einer Rüge oder Ordnungsmaßnahme rechnen.»

Für Ordnungsrufe gibt es einen Ermessensspielraum

Wo in Redebeiträgen oder Zwischenrufen die Grenze erreicht ist, an denen Abgeordneten Konsequenzen drohen, ist eine Abwägungsfrage: «Konkrete Formulierungen, die zu Rügen oder Ordnungsmaßnahmen führen, sind nicht definiert, zumal Sprache einem Wandel unterliegt», erklärte Seibeld. 

«Bei der Entscheidung über Ordnungsmaßnahmen gibt es einen weiten Ermessensspielraum, der die konkrete Situation und die Stimmung in der parlamentarischen Debatte berücksichtigt.» Am Ende gehe es nicht um das Verhängen von Ordnungsrufen, sondern darum, wieder zu einer sachlichen Debatte zurückzukommen. 

Die Entwicklung zu einem aggressiveren Ton im Landesparlament beobachtet Seibeld schon länger: «Spätestens mit dem Einzug der Piraten in das Berliner Abgeordnetenhaus im Jahr 2011 hat sich der Umgang mit- und untereinander verändert», sagte sie.

Wie sich die Zahl der Ordnungsrufe entwickelt hat

Im Jahr 2024 gab es im Berliner Landesparlament sechs Ordnungsrufe. In den beiden Jahren davor war es jeweils nur einer. Hinzu kamen 2024 sieben Rügen.

Allerdings: 2021 gab es nach der Statistik des Abgeordnetenhauses neun Ordnungsrufe, in den fünf Jahren der Legislaturperiode von 2016 bis 2021 insgesamt 39, also durchschnittlich rund acht pro Jahr.

Das Präsidium des Parlaments kann einen Ordnungsruf erteilen, etwa wenn Abgeordnete unangemessen provozieren, Schimpfworte verwenden oder andere beleidigen. Einem Abgeordneten kann das Wort entzogen werden, wenn er in der Debatte über ein Thema dreimal zur Ordnung gerufen wird.

Über die Debattenkultur hinaus sieht die Parlamentspräsidentin Handlungsbedarf angesichts möglicher Gefahren für den Parlamentarismus: «Eine wehrhafte Demokratie muss in der Lage sein, sich vor Verfassungsfeinden zu schützen – das gilt auch für Verfassungsorgane wie das Abgeordnetenhaus von Berlin», sagte sie.

«Grundsätzlich müssen wir die Resilienz der Verfassungsorgane ins Auge fassen und gegebenenfalls verbessern.» Zu konkreten Vorschlägen, wie das Landesparlament besser vor Verfassungsfeinden geschützt werden könnte, äußerte sie sich nicht.