Demonstration von Neonazis in Berlin-Friedrichshain. (Symbolbild)
Demonstration von Neonazis in Berlin-Friedrichshain. (Symbolbild) Foto: Fabian Sommer/dpa

Berlin (dpa) – Wenige Tage nach dem Angriff von Neonazis auf Berliner SPD-Politiker hat eines der Opfer von etwa 20 beteiligten Rechtsextremisten gesprochen und die brutale Attacke geschildert. «Vier haben auf den Genossen am Boden eingeschlagen, und dann waren da noch etwa 15 weitere. Es waren viele», sagte die SPD-Fraktionsvorsitzende in der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf, Carolyn Macmillan, dem «Tagesspiegel».

«Die Männer traten weiter auf ihn ein»

Mit anderen SPD-Bezirkspolitikern habe sie am Samstagmittag ihren Wahlkampfstand am S-Bahnhof Lichterfeld Ost abgebaut und mit dem Bus vom nach Hause fahren wollen. «Irgendjemand zog plötzlich erst dem Parteigenossen und dann mir die Mütze vom Kopf», sagte Macmillan weiter. Ihr Kollege habe sich für sie eingesetzt und laut geschrien. 

«Daraufhin ist er dann von mindestens drei Personen aus dem Menschenpulk herausgezogen worden. Er wurde zur Seite gedrängt und geschubst, es wurde auf ihn eingeprügelt. Dann lag er am Boden und die Männer traten und schlugen mit den Fäusten weiter auf ihn ein. Es waren vier Männer, die prügelten», sagte die Kommunalpolitikerin.

Dank an die Polizei

Auch sie sei getreten oder geschubst worden und auf den Boden gefallen. «Für mich ging das eine Ewigkeit und keiner hat eingegriffen. Ich habe nur gedacht, um Himmels willen, warum unterbricht nicht jemand dieses Szenario? Ich wollte nicht, dass er stirbt», beschrieb Macmillan die Ereignisse. 

«Die Neonazis ließen dann von ihm ab, wohl weil sie irritiert waren, dass plötzlich Polizei da war. Doch dann wandten sich die Männer gegen die Polizisten», sagte sie. Es tut ihr wahnsinnig leid, dass auch die Polizisten etwas abbekamen. «Und ich bin ihnen sehr dankbar, dass sie sich für uns eingesetzt haben.»

Gruppe aus Halle mit Kontakten zu Berliner Neonazis

Die Polizei nahm nach dem Angriff vier junge Neonazis fest, drei von ihnen sitzen in Untersuchungshaft. Der vierte Verdächtige im Alter von 19 Jahren wurde von der U-Haft verschont. Die Staatsanwaltschaft teilte mit, die Männer sollen aus mutmaßlich rechtsextremen Motiven gehandelt haben. 

Die Gruppe reiste demnach aus Halle in Sachsen-Anhalt nach Berlin, um an einer rechtsradikalen Demonstration nahe dem Ostkreuz teilzunehmen. Nach Informationen des «Tagesspiegels» sind sie in einer Gruppe mit dem Namen «Deutsche Jugend zuerst» organisiert, entstanden im Frühsommer. Es gebe Verbindungen zu anderen jungen Neonazi-Gruppen in Berlin mit den Namen «Deutsche Jugend voran» und «Jung und Stark», gezielt fahren man zu Demonstrationen gegen Links, auch um gewalttätig zu werden. 

Verfassungsschutz: Junge Neonazis planen Gewalt gegen Gegner

Zuletzt Mitte November hatte die Berliner Senatsinnenverwaltung und der zugehörige Verfassungsschutz vor einer neuen rechtsextremen Jugendbewegung gewarnt. Die Neonazi-Demonstration vom Samstag wurde schon damals als gezielte Provokation gegen die linke und linksextreme Szene gewertet, wie Innen-Staatssekretär Christian Hochgrebe (SPD) sagte. Es sei eine «weitere Aktion junger und durchaus auch gewaltaffiner Personen einer neuen rechtsextremistischen Internet-Jugendkultur». 

Hochgrebe sprach von einer «neuen Dynamik» im Rechtsextremismus. Die Organisationen würden gezielt vor Schulen um neue Mitglieder werben. Seit dem Frühjahr würden vor allem junge, männliche und gewaltnahe Rechtsextremisten im Internet immer neue Gruppen gründen, das sei ein bundesweites Phänomen.

Diese virtuellen Vernetzungen in bekannten Internetportalen wie Tiktok, Instagram und Telegram würden schnell zu organisierten Aktionen in der realen Welt führen. Viele davon seien gegen politische Gegner gerichtet. «Es geht diesen Gruppen stark um gezielte Provokation, die auch körperliche Übergriffe gegen die definierten Feindbilder einschließen.» Berlin sei ein Schwerpunkt.