Die wirtschaftlichen Auswirkungen von Corona-Maßnahmen und Ukraine-Krieg bekommen wir Bundesbürger in diesen Tagen massiv zu spüren: Die Teuerungsrate lag im März über sieben Prozent. Preistreiber sind vor allem die Kosten für Sprit, Strom und Gas mit Steigerungsraten von bis zu 30 Prozent. Um Ressourcen zu schonen, soll der ÖPNV auch in Berlin „so billig wie nie“ werden.
Die Preisspirale zwingt zu neuen Lösungsansätzen
Die Bundesregierung setzt einerseits alles daran, zusätzliches Kapital in die Haushaltskassen der Bundesbürger mit Boni und Einmalzahlungen zu spülen. Weil aber mehr Geld für viele Menschen in Inflationszeiten noch mehr Preisgalopp zur Folge hat, werden andererseits auch Möglichkeiten gesucht, Ressourcen zu schonen und zu sparen.
Momentan diskutiert die Bundesregierung über die Einführung des Neun-Euro-Monatstickets für den öffentlichen Nahverkehr für einen Zeitraum von 90 Tagen. Viel mehr Menschen sollen das Auto für die täglichen Fahrten zum Job, Shop, Kita oder zur Uni stehen lassen, um Sprit zu sparen und die Umwelt zu schonen.
Lesen Sie dazu auch bitte: Berlin im Griff der Preisspirale
Billige Lösung
Der öffentliche Nahverkehr soll dafür vorübergehend „so billig“ wie nie zuvor werden, sagte Grünen-Chefin Ricarda Lang. Entsprechende Regionalisierungsmittel des Bundes sollten demnach so erhöht werden, „dass die Länder dies organisieren können“, heißt es im Ergebnispapier des Koalitionsausschusses. Die Empfehlungen der Verkehrsministerkonferenz gehen sogar noch einen Schritt weiter: Völlig kostenfreie Fahrten im Regionalen Nahverkehr sollen Autofahrer vom Steuerrad und Gaspedal weglocken.
Für Berlin hätte das drastische Konsequenzen: BVG und S-Bahn würden monatliche Einnahmeverluste von 30 bis 50 Millionen Euro melden, die der Bund ausgleichen müsste, schätzen Insider. Und das ganz große Problem wartet schließlich in der Verfügbarkeit
von Fahrzeugen und Fahrern. Geplante Investitionen in diese ÖPNV-Bereiche könnten indes auf Kosten der notwendigen Ticketsubventionierungen ausfallen, befürchten Experten.
Bahnen und Busse sind Bereits überlastet
Wer den Weg Richtung Hohenschönhausen per Straßenbahn, den Berufsverkehr auf den U-Bahn-Linien 1, 2, 5 oder 7 oder die Ringbahnreise in der RushHour zu ganz „normalen“ Werktagen und regulären Ticketpreisen kennt, will sich gar nicht vorstellen, wie sich solche
Fahrten gestalten könnten, wenn auch noch Zigtausende zusätzliche Autofahrer den Wechsel zum ÖPNV wagen würden.
Es ist aber ohnehin zweifelhaft, dass allein der Wegfall von Ticketkosten Autofahrer in Züge und Busse locken dürfte. Viel zu unterschiedlich sind die Nutzergründe beim Individualverkehr: Die Flexibilität bei Routen- und Termingestaltungen, Möglichkeiten für Transport und schließlich auch die pure Scheu vor engen Bussen und Zügen sind einige der Argumente, die Autofahrern einfallen, um doch ins eigene Fahrzeug zu steigen, wenn sie in der Berliner City unterwegs sind.
Sollten die Gratisfahrten im ÖPNV kommen, wären begleitend eingeführte Reglementierungen für Autofahrer ein Muss, um das ressourcenschonende Ziel erreichen zu können.
Text: Stefan Bartylla, Bild: IMAGO / Olaf Wagner