Der russische Botschafter in Deutschland, Sergej Netschajew, nimmt am Gedenken an die Schlacht auf den Seelower Höhen teil. Das Auswärtige Amt hat empfohlen, dass keine russischen Vertreter bei Kriegsgedenken dabei sein sollen.
Der russische Botschafter in Deutschland, Sergej Netschajew, nimmt am Gedenken an die Schlacht auf den Seelower Höhen teil. Das Auswärtige Amt hat empfohlen, dass keine russischen Vertreter bei Kriegsgedenken dabei sein sollen. Foto: Soeren Stache/dpa

Seelow (dpa) – Der russische Botschafter in Berlin, Sergej Netschajew, hat an einem Gedenken an die Schlacht auf den Seelower Höhen vor 80 Jahren teilgenommen. Der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev kritisierte die Teilnahme des russischen Botschafters Sergej Netschajew scharf. Dass Netschajew dabei das Sankt-Georgs-Band getragen habe, ein russisches Militärabzeichen, sei «eine klare Verhöhnung der Opfer – der Opfer von vor 80 Jahren und der Opfer von heute», sagte Makeiev der Deutschen Presse-Agentur.

Das Auswärtige Amt hatte davor in einer Handreichung an Länder, Kommunen und Gedenkstätten davon abgeraten, dass Vertreter von Russland und Belarus bei Gedenkveranstaltungen zum Ende des Zweiten Weltkriegs dabei sind. Netschajew wurde nicht aktiv von den Veranstaltern eingeladen, aber auch nicht an der Teilnahme gehindert, sondern freundlich begrüßt. Die Schlacht um die Seelower Höhen gilt als größte Schlacht des Zweiten Weltkriegs auf deutschem Boden.

Der russische Botschafter äußerte sein Bedauern über den Ausschluss Moskauer Vertreter bei deutschen Gedenkfeiern zum Kriegsende. Das gereiche den Initiatoren nicht zur Ehre, sagte Netschajew der kremlnahen Moskauer Zeitung «Iswestija». «Die Erwägungen der unmittelbaren politischen Konjunktur dürfen nicht Vorrang vor den Fragen der historischen Erinnerung und der historischen Versöhnung der Völker unserer Länder haben.» Bei der Schlacht auf den Seelower Höhen kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs fielen laut Landkreis Märkisch-Oderland 33.000 Soldaten der Roten Armee, 16.000 deutsche und 2.000 polnische Soldaten.

Außenministerium: Keine russischen Vertreter

In der Handlungsempfehlung des Auswärtigen Amts heißt es, im Inland solle es grundsätzlich keine Teilnahme offizieller Stellen an Veranstaltungen auf Einladung von Russland und Belarus sowie keine Einladung an russische und belarussische Vertreter zu Gedenken von Bund, Ländern und Kommunen geben. Dabei soll auch vom Hausrecht Gebrauch gemacht werden können. Die Handreichung liegt der Deutschen Presse-Agentur vor. Auch der Gesandte Botschaftsrat von Belarus in Deutschland, Andrej Schupljak, nahm an dem Gedenken teil.

Das Außenministerium will eine Instrumentalisierung des Zweiten Weltkriegs durch Russland zur Rechtfertigung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine verhindern und verteidigt die Empfehlung. «Von russischer Seite steht eben zu erwarten, dass es instrumentalisiert wird und für die Rechtfertigung seines Angriffskrieges gegen die Ukraine missbräuchlich in Verbindung gebracht wird», sagte ein Sprecher. Das Ministerium wird noch geschäftsführend von Annalena Baerbock (Grüne) geführt. 

Botschafter: «Ich bin bei Ihnen wie zu Hause»

Wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine wird in Deutschland darüber diskutiert, wie die Rolle Moskaus bei der Befreiung Deutschlands von der Diktatur unter Adolf Hitler gewürdigt werden soll. Netschajew sagte, dass etwa auf kommunaler Ebene vielerorts russische Vertreter zum Beispiel zu Kranzniederlegungen eingeladen seien.

Zum stillen Gedenken in Seelow waren die Vertreter von Russland und Belarus nicht aktiv eingeladen. Der Kreis Märkisch-Oderland und die Stadt Seelow legten ihnen aber auch nicht nahe, den Ort zu verlassen. Russische Vertreter nehmen traditionell am dortigen Gedenken teil. Als Moskaus Botschafter in Seelow eintraf, sagte er zu Vize-Landrat Friedemann Hanke (CDU): «Ich bin bei Ihnen wie zu Hause.»

Parteiübergreifende Kritik am Auswärtigen Amt

Der stellvertretende Landrat von Märkisch-Oderland kritisiert, den höchsten Vertreter eines Landes von einem Gedenken an die eigenen Landsleute auszuschließen. «Das ist ja absurd», sagte Hanke vor der Veranstaltung. «Wenn es Störungen gibt, werden wir von unserem Hausrecht Gebrauch machen.» 

Die Brandenburger SPD/BSW-Koalition hält die Handreichung ebenfalls für falsch. «Ihnen untersagen zu wollen, an die Gräber ihrer Vorfahren zu gehen, finde ich absolut unakzeptabel», sagte Lüders. Die SPD-Landtagsabgeordnete Sina Schönbrunn nannte die Handlungsempfehlung des Auswärtigen Amts im Inforadio des RBB ebenso «absurd». Auch die oppositionelle AfD war beim Gedenken dabei. Landeschef René Springer fordert ein «würdiges Gedenken an alle Opfer des Krieges».