5.000 Plakate mit Wünschen und Hoffnungen
5.000 Plakate mit Wünschen und Hoffnungen Foto: Christoph Soeder/dpa

Berlin (dpa) – Mit einer riesigen Installation, einer offiziellen Gedenkfeier und weiteren Veranstaltungen feiert Berlin am 35. Jahrestag des Mauerfalls die Freiheit. Besonderer Anziehungspunkt ist eine temporäre Mauer aus 5.000 Plakaten entlang des früheren Grenzverlaufs in der Innenstadt. Die vier Kilometer lange Open-Air-Installation aus Plakaten, die Kinder und Erwachsene unter dem Motto «Wir halten die Freiheit hoch» gestaltet haben, zog Zehntausende Besucher an, darunter viele ausländische Touristen. 

Ob nun am Reichstag, dem Brandenburger Tor, dem Potsdamer Platz oder am früheren Grenzübergang Checkpoint Charlie: Entspannt spazierten viele Menschen entlang der Route, an der es auch Ausstellungen und Multimediapräsentationen zu den historischen Ereignissen oder Führungen gab. Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) ließ sich an der Strecke im Regierungsviertel blicken. «Die Menschen nehmen das an», sagte ein Sprecher der landeseigenen Berliner Kulturprojekte GmbH, die die Installation organisierte. 

Tausende Menschen haben Plakate gestaltet 

Die Plakate verbinden Forderungen der Demonstranten im Herbst 1989 wie Meinungs-, Presse- und Reisefreiheit mit heutigen Wünschen und wurden im Rahmen von Workshops in Schulen, Kirchengemeinden, Vereinen oder Kulturprojekten geschaffen. Viele Menschen brachten darauf kreativ zum Ausdruck, was Demokratie und Freiheit heute für sie bedeuten und welche Werte ihnen wichtig sind. «Eine Mauer sollte schützen und nicht trennen», «Meinungsfreiheit ohne Hass» oder «Freiheit ist kein Geschenk» ist unter anderem zu lesen. Auch Nachbildungen historischer Plakate aus dem Wendeherbst wurden gezeigt. 

Wegner: Demokratie nicht selbstverständlich 

Auch Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner erinnerte an den Wert der Freiheit. «Haltet hoch die Freiheit, denn ohne Freiheit ist alles andere nichts», sagte der CDU-Politiker bei einer zentralen Gedenkveranstaltung mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an der Gedenkstätte Berliner Mauer. «Freiheit und Demokratie waren noch nie eine Selbstverständlichkeit.» Derzeit würden sie von außen und innen angegriffen. Deshalb müsse man die Menschen vom Herbst 1989 zum Vorbild nehmen. 

Der 9. November sei ein Schicksalstag für Deutschland, im Positiven wie im Negativen, sagte Wegner auch mit Blick auf die Pogromnacht der Nazis gegen die Juden am 9. November 1938. Am Jahrestag des Mauerfalls sehe man vor allem die positive Seite. Die Menschen hätten die Mauer damals beiseitegeschoben. «Das waren unfassbare Momente, unfassbare Stunden und Tage.» Er wünsche sich, dass die Stimmung von damals wieder zurückkehre, so Wegner, denn 1989 sei es um Optimismus und Zusammenhalt gegangen.

Scholz mit europäischer Perspektive  

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verwies auf die Freiheitsbewegungen in etlichen damaligen Ostblock-Staaten. «Der Sieg der Freiheit im Herbst 1989 war ein gesamteuropäischer Sieg, der Fall der Berliner Mauer vor 35 Jahren war der glückliche Höhepunkt einer gesamteuropäischen Entwicklung», sagte er in einer Videobotschaft zum 9. November. «Ein Glückstag, für den wir Deutschen bis heute dankbar sind.» 

«Soundtrack der Freiheit» erklingt 

Der Aufbau der Berliner «Schildermauer» aus Plakaten dauerte mehrere Tage. Entlang der gesamten Strecke war am Abend ein besonderes Konzert geplant. 700 Profi- und Freizeitmusiker spielen laut Veranstalter auf diversen Bühnen synchron den «Soundtrack der Freiheit». Erklingen sollen unter anderem der Song «S.O.S.» der bekannten ostdeutschen Rockband Silly, «Heroes» von David Bowie oder «Freiheit» von Marius Müller-Westernhagen. Auf Bildschirmen überall an der Strecke werden die Liedtexte zu sehen sein, sodass die Zuhörer mitsingen können. 

Am Sonntag wird die Installation wieder abgebaut. Einige der Plakate werden dann aber im Campus der Demokratie in der früheren Stasi-Zentrale im Stadtbezirk Lichtenberg gezeigt. Dort steht auch ein «Demokratiefest» mit Street-Art und Podiumsdiskussionen auf dem Programm, zum Abschluss spielt die russische Oppositionsband «Pussy Riot».

Kein Halten mehr nach Schabowskis Pressekonferenz 

Nach wochenlangen Demonstrationen für Demokratie und Freiheit in vielen Teilen der DDR gab SED-Funktionär Günter Schabowski am 9. November 1989 am Ende einer Pressekonferenz eher beiläufig das Inkrafttreten einer neuen Reiseregelung bekannt. Kurz darauf ging die Eilmeldung um die Welt: «DDR öffnet Grenzen». In den folgenden Stunden strömten Menschen in Scharen an die Berliner Grenzübergänge, die die DDR-Grenzsoldaten unter dem stetig wachsenden Druck schließlich öffneten. Menschen lagen sich jubelnd in den Armen, erklommen die Mauer, tanzten am Brandenburger Tor.

Erbaut hatte die DDR die Mauer rund um den Westteil Berlins am 13. August 1961. Nach Angaben der Stiftung Berliner Mauer wurden mindestens 140 Menschen zwischen 1961 und 1989 an der Mauer getötet oder kamen im Zusammenhang mit dem DDR-Grenzregime ums Leben.