Berlin (dpa) – Wie erstrebenswert ist es, ewig zu leben? Performance-Star Florentina Holzinger geht an der Berliner Volksbühne dieser Frage nach mit ihrem neuen Stück «A Year without Summer», einem bildgewaltigem Spektakel rund um einen riesigen aufgeblasenen Frauenkörper, durch dessen Vulva die Darstellerinnen auf die Bühne kommen.
Holzinger ist bekannt für ihre spektakulären Theaterproduktionen und arbeitet mit nackten Frauenensembles. Mit ihren Arbeiten, bei denen sie radikal und freizügig weibliche Körper in Szene setzt, sorgt sie seit Jahren für Aufsehen in der Theaterwelt.
Besonders hier: Für «A Year without Summer» hatte die österreichische Choreographin Frauen und Personen, die sich als weiblich identifizieren, im Alter von 65 bis 90 Jahren gesucht, wie es in einem Aufruf hieß.
Inspiriert vom «Jahr ohne Sommer»
Holzingers neue Produktion ist inspiriert vom Jahr 1816, dem «Jahr ohne Sommer». Ein Vulkanausbruch sorgte dafür, dass der ganze Globus in eine Aschewolke gehüllt war, durch die kaum Sonnenstrahlen kamen. Damals schrieb Mary Shelley ihren «Frankenstein».
Mit Shelley beginnt auch das Stück. Eine Darstellerin kommt auf die Bühne und erzählt davon, wie sich die Schriftstellerin die Gruselgeschichte ausgedacht hat. Sie fragt, was man nun in solch einem Jahr ohne Sommer machen würde. Dann kommen immer mehr Frauen dazu, die zunächst stimmungsvoll miteinander tanzen, sich ausziehen und intimer werden. Die Szene endet in einer Orgie.
Facelifting, Oberschenkel-Geburt und eine Kot-Orgie
Schon bevor man den Saal betritt, wird mit einem Hinweis vor Blut, Körperflüssigkeiten, selbstverletzenden Handlungen, Stroboskop-Licht sowie der expliziten Darstellung sexueller Handlungen gewarnt. Solche Triggerwarnungen gab es auch bei den Holzinger-Inszenierungen «Sancta» und «Ophelia’s Got Talent».
Einige Beispiele: In «A Year without Summer» gebärt die Künstlerin aus ihrem Oberschenkel eine kleine Embryo-Figur, die in Großaufnahme herausoperiert wird. Eine Darstellerin wird beim «ultimativen Facelift» mit Haken im Gesicht in die Höhe gezogen, bevor das Stück später dann mit einer langen Kot-Orgie endet.
Vorstellung mit vielen Musical-Einlagen
Es geht um Selbstoptimierung und Unsterblichkeit, den alternden Körper, künstlich erschaffenes Leben und um die Figur des verrückten Wissenschaftlers (es tritt zum Beispiel ein ejakulierender Sigmund Freud auf).
Im Laufe der rund zwei Stunden verwandelt sich das Stück in ein Musical mit einer insgesamt eher düsteren, melancholischen Stimmung – was den Theaterabend aber nicht weniger interessant macht. Besonders ist auch, wie Holzinger die Körper der älteren Darstellerinnen zeigt: ungeschönt und ästhetisch zugleich. Die Uraufführung endete jedenfalls mit Standing Ovations.