Am 11. September laufen Sirenen mit einem lauten an- und abschwellender Ton eine Minute lang. (Archivbild)
Am 11. September laufen Sirenen mit einem lauten an- und abschwellender Ton eine Minute lang. (Archivbild) Foto: Britta Pedersen/dpa

Berlin (dpa/bb) – Beim Bevölkerungsschutz hinkt Berlin weiterhin hinterher – aber zumindest akustisch soll ein Fortschritt nun laut und deutlich zu hören sein. Zum ersten Mal seit mehr als 30 Jahren werden in Berlin wieder offizielle Warnsirenen ertönen. Beim bundesweiten Warntag am nächsten Donnerstag sollen mehr als 200 der in den vergangenen Jahren aufgestellten Sirenen angeschaltet werden und aufheulen, wie Innensenatorin Iris Spranger (SPD) ankündigte. 

Um Punkt 11.00 Uhr am 11. September ist ein sehr lauter an- und abschwellender Ton eine Minute lang zu hören. Um 11.45 Uhr wird Entwarnung mit einem einminütigen Dauerton gegeben. Die Stromversorgung der Sirenen läuft über Solarmodule und Akkus, angeschaltet werden sie zentral. Mindestens 130 Dezibel, zum Teil auch 140 Dezibel sollen sie laut sein. Flugzeugtriebwerke haben eine ähnliche Lautstärke. 


«Das wichtigste Warnmittel, wenn man schläft» 

Die Sirenen wurden in den vergangenen Jahren zunächst vor allem auf Dächern in der dicht bewohnten Innenstadt und an touristischen Orten aufgestellt, hieß es. Sie seien «das wichtigste Warnmittel, wenn man schläft». Eigentlich sollte der Aufbau schon vor Jahren abgeschlossen sein, er verzögerte sich aber. Bis Ende des Jahres sollen es nun 450 Sirenen sein, in den nächsten beiden Jahren kommen noch mehr als 100 vorwiegend in den Randgebieten dazu. 

Zum Bevölkerungsschutz gehören der Katastrophenschutz bei Naturkatastrophen und schweren Unfällen in Friedenszeiten sowie der Zivilschutz im Kriegsfall. Spranger sprach von starker Vernachlässigung: «Wir holen etwas nach, dass über Jahrzehnte nicht gemacht wurde.» Die letzte der früher in ganz Deutschland üblichen Sirenen wurde demnach in Berlin 1993 abgebaut, weil sie nicht mehr für nötig gehalten wurden.

Spranger: Sicherheitslage hat sich verändert 

Die Sicherheitslage habe sich verändert, sagte Spranger und verwies auf den Klimawandel mit heftigen Stürmen, auf Stromausfälle, Cyberangriffe und die aktuelle Weltlage mit einem Angriffskrieg in Europa. 

Wichtig sei, dass die Berliner am Warntag möglichst breit informiert seien, betonte Spranger, damit nicht zu viele Menschen aufgeregt bei Polizei und Feuerwehr anrufen würden. Ein Feuerwehrsprecher sagte, sie seien vorbereitet und würden notfalls eine Bandansage zur Information laufenlassen.

Aufbau von Katastrophenschutz-Leuchttürmen zu langsam

Zum Katastrophenschutz zählen beim Alarm zudem die bekannten Warn-Apps, automatische SMS an alle Handys und Durchsagen in Fernsehen und Radio. 44 sogenannte Katastrophenschutz-Leuchttürme sollen im Ernstfall Anlaufstellen für die Bevölkerung in den Bezirken seien – von denen allerdings erst 14 einsatzbereit und weitere 4 betriebsbereit sind. 

Spranger räumte ein, dass man in dem Bereich zu langsam sei. Erst vier Bezirke seien fertig mit dem Aufbau dieser Anlaufstellen, an denen die Berliner im Katastrophenfall, bei dem Strom- und Datenversorgung ausfällt, Informationen erhalten würden und auch Notrufe absetzen könnten. 

Die anderen Bezirke hätten zu wenig Personal, so Spranger. Aus ihrem Etat sollen nun in jedem Bezirk drei zusätzliche Personalstellen für den Katastrophenschutz bezahlt werden. Außerdem sollen in Berlin im Krisenfall 147 Informationspunkte mit ehrenamtlichen Helfern etwa bei sozialen Einrichtungen bereitstehen. 

Zivilschutz mit «Unterstützung der Streitkräfte»

Neu und ungewohnt für die Hauptstadt ist auch die engere Zusammenarbeit mit der Bundeswehr. Anders als beim Katastrophenschutz mit der Zuständigkeit der Bundesländer ist für den Zivilschutz im Kriegsfall der Bund verantwortlich. Die zivile Verteidigung sei dann «Teil der Gesamtverteidigung», hieß es von der Senatsinnenverwaltung. 

Dabei gehe es um die «Sicherung der Arbeitsfähigkeit von Berlin und des Senats», um Schutzräume, medizinische Versorgung und um die «Unterstützung der Streitkräfte», etwa bei Verkehrswegen von Truppen in Berlin. 

Der Bund soll auch einen Großteil der etwa 630 Einsatzfahrzeuge, die benötigt würden, zur Verfügung stellen. Das seien Löschautos, Spezialfahrzeuge und besondere Sanitätsfahrzeuge, die für den Ernstfall und besondere Einsätze sowie auch Übungen bereitstehen sollen. 

Cyberangriffe sind inzwischen «unser tägliches Brot»

Die zuständige Beamtin in der Senatsinnenverwaltung, Friederike von Holtum, sagte: «Die Bedrohungslage ist jetzt eben etwas anders.» Cyberangriffe seien inzwischen «unser tägliches Brot». Berlin und Deutschland müssten sich noch viel besser schützen auch gegen mögliche Sabotageakte an der Infrastruktur.

Spranger und ihre Kollegen appellierten an die Berliner, sich mit Blick auf Katastrophen und Gefahrenlagen nicht nur auf den Staat zu verlassen. «Es muss in der Bevölkerung ein Verständnis für Eigenverantwortung geben. Jeder muss sich Gedanken machen, wie informiere ich mich und wie handele ich.»

Bei einem sogenannten Blaulichtfest am Sonntag am Deutschen Technikmuseum soll durch Senat, Polizei und Hilfsorganisationen noch ausführlicher über das Thema informiert werden. Das Motto lautet in diesem Jahr: Hitze.