ERKUNDUNG Immer an den Gleisen entlang – einmal rund um das Zentrum der Stadt.
Teil eins der Ringbahn-Tour führt vom Ostkreuz bis Gesundbrunnen (Nordkreuz)
Rundwanderwege sind Klassiker: Man läuft um Seen oder durch idyllische Berglandschaften. Doch mitten im Großstadtdschungel sind solche Expeditionen eher selten. Dabei lässt sich auch in vermeintlich gut bekannten Gegenden viel entdecken – vorausgesetzt, man orientiert sich an einer markanten Landmarke wie dem S-Bahn-Ring und folgt ihr, wie man einem Flussufer oder einem Bergrücken folgen würde.
Die S41 bzw. S42 braucht für die Runde ums Berliner Zentrum etwa eine Stunde. Zu Fuß dauert es natürlich länger – deshalb haben wir die Wanderung entlang der Ringbahn in vier Etappen unterteilt, die bis Ende Oktober an dieser Stelle erscheinen werden. Teil eins führt vom Ostkreuz bis Gesundbrunnen.
Alte Werkstätten, baufällige Gebäude und wild wucherndes Buschwerk
Das Ostkreuz hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Aus einem einst tristen Bahnhof an der Grenze zwischen Friedrichshain und Lichtenberg ist ein quirliger Verkehrsknotenpunkt geworden – umgeben von Asia-Restaurants, Bars und Jugendherbergen.
Doch geht man die Gürtelstraße hinauf und weiter über den Wiesenweg und Kietzer Weg, ändert sich das Bild schlagartig. In diesem fast vergessenen Areal auf der Außenseite des Rings wechseln sich alte Werkstätten, baufällige Gebäude und wild wucherndes Buschwerk ab – fast, als wäre hier die Zeit in den 1990er-Jahren stehengeblieben.
An der Frankfurter Allee wird es wieder etwas lebhafter. Der Weg entlang der Gleise führt durch die einst unscheinbare Pettenkoferstraße. Heute dominiert hier ein riesiges Neubauprojekt, das sich „The Pettco“ nennt – ein neues urbanes Lebensgefühl wird versprochen.
Bis zur Storkower Straße führt der Weg durch die Hermann-Blankenstein-Straße und am ehemaligen Zentralen Vieh- und Schlachthof vorbei. Wo bis zum Mauerfall noch die Fleischversorgung für Ost-Berlin geregelt wurde, ist ein neues Stadtquartier entstanden.
Erst an der Landsberger Allee lassen die Zeichen des Wandels etwas nach. Das Velodrom ruht wie ein ausgedientes Raumschiff auf einer unwirtlichen Freifläche, dahinter folgen Sportanlagen und ein Betriebshof der BVG. Ein antikes Schienenfahrzeug davor erinnert an die Geschichte des Berliner Nahverkehrs.
An der Kniprodestraße kann man auch als Fußgänger in der Sprint-Tankstelle einkehren und sich mit süßem Gebäck und Kaffee versorgen. Von dort geht es weiter durch eine gepflegte Siedlung namens „Grüne Stadt“ und durch den beschaulichen Anton-Saefkow-Park, der am Bahnhof Greifswalder Straße endet.
Das Niemandsland zwischen Friedrichshain, Lichtenberg und Prenzlauer Berg setzt sich mit dem Ernst-Thälmann-Park und dem Zeiss-Großplanetarium noch etwas fort. Ab dem Bahnhof Prenzlauer Allee nimmt die Wanderung jedoch wieder einen städtischen Charakter an: eng bebaute Straßen, Altbaufassaden, Boutiquen und Cafés – die gute Stube des Prenzlauer Bergs entfaltet sich.
Hier entfernt man sich kurzzeitig von den Gleisen. Über Kanzowstraße und Wichertstraße gelangt man zur Schönhauser Allee. Großstadttrubel: Tram, U-Bahn und S-Bahn kreuzen sich an den Schönhauser Allee Arcaden. Folgt man der Dänenstraße weiter, wird es ruhiger – und die S-Bahn-Wanderung fast pittoresk.
Mächtige Brandmauern der gleisnahen Häuser markieren die Grenze zwischen Stadt und Bahntrasse. Die Schönfließer Brücke, Fußgängern und Radfahrern vorbehalten, bietet großartige Ausblicke und führt an der gemütlichen Pizzahütte vorbei (Tipp zum Einkehren) zur Kopenhagener Straße und weiter zum ehemaligen Mauerstreifen.
Die Jugendfarm Moritzhof mit ihren pelzigen Bewohnern markiert die Ausläufer des Mauerparks, und am Bärbel-Bohley-Ring glänzen frisch errichtete Wohnhäuser. Bald verlässt man den ehemaligen Ostteil der Stadt – es geht hinüber in den Westen. Über eine Unterführung und vorbei an einem grauen Shoppingcenter erreicht man den Bahnhof Gesundbrunnen, auch bekannt als Nordkreuz. Hier endet der erste Teil unserer Ringbahnwanderung. Der zweite Teil führt von Gesundbrunnen zum Westkreuz.
Die Wanderung
Die Strecke vom Ostkreuz bis Gesundbrunnen entlang der Ringbahn ist etwa 11 Kilometer lang. Man sollte rund drei Stunden dafür einplanen.
Einkehrtipps
Am Ostkreuz gibt es zahlreiche Restaurants. Empfehlenswert ist Umami (Sonntagstraße 8, 10245 Berlin). In Prenzlauer Berg lohnt sich ein Besuch in der Pizzahütte (Kopenhagener Str. 17, 10437 Berlin), und direkt am S- und U-Bahnhof Gesundbrunnen gibt es in der Curry Baude (Badstraße 1–5, 13357 Berlin) ausgezeichnete Currywurst.
Text: Jacek Slaski