Seit 50 Jahren kritisiert der Bund der Steuerzahler die Verschwendung von Steuergeld - auch dieses Jahr fand man wieder 99 Fälle. Foto: IMAGO / Rolf Poss
Seit 50 Jahren kritisiert der BdSt Steuergeldverschwendung - auch 2022 fand man 99 Fälle. Foto: IMAGO / Rolf Poss

Jahr für Jahr veröffentlicht der Bund der Steuerzahler in seinem “Schwarzbuch” die seiner Meinung nach schlimmsten Fälle von Verschwendung öffentlicher Gelder in ganz Deutschland. Darunter befinden sich natürlich auch eine ganze Reihe von Beispielen aus Berlin und Brandenburg, die wegen zu hohen Bau- oder Sanierungskosten angekreidet werden.

Seit inzwischen 50 Jahren prangert der Bund der Steuerzahler (BdSt) die seiner Meinung nach gravierendsten Fälle von Steuerverschwendung in Deutschland an. Die Gründe dafür sind von Fall zu Fall unterschiedlich, doch nicht selten sind es zu hohe Bau- und absurde Sanierungskosten, die dem Bund der Steuerzahler so manche öffentliche Investitionen als “Verschwendung” erscheinen lassen.

Insgesamt listet das “Schwarzbuch” ganze 99 solcher Fälle aus ganz Deutschland in seiner neuesten, soeben erschienenen 50. Ausgabe. Wir haben drei davon in Berlin und Brandenburg unter die Lupe genommen.

Das geplante Flussbad an der Spree nahe Freitreppe an der Museumsinsel. Foto: IMAGO / Jürgen Ritter
Das geplante Flussbad an der Spree nahe Freitreppe an der Museumsinsel. Foto: IMAGO / Jürgen Ritter

1. Flussbad in Mitte

Baden in der Spree? Das könnte bald wieder Wirklichkeit werden. So schrieben es auch wir im Jahr 2017 noch so optimistisch wie zumindest damals realistisch. Zum damaligen Zeitpunkt beschloss das Berliner Abgeordnetenhaus die Einrichtung eines Arbeitsgremiums, das das Stadtentwicklungsprojekt “Flussbad” unterstützen sollte.

Der Plan dahinter ist die Umwandlung des Spreekanals in Berlin-Mitte. Dieser soll ökologisch gesäubert und dann für alle zugänglich als Flussbad genutzt werden. Doch seitdem ist nicht nur viel Wasser die Spree hinuntergeflossen, sondern auch so einige Hoffnung in das Projekt verloren gegangen – jetzt fordert der Bund der Steuerzahler sogar den kompletten Stopp des Projekts. Bisher flossen nach Angaben des Senats aus dem Sommer bereits fast sechs Mio. Euro aus Bundes- und Landesmitteln in die Planung des Flussbads.

“Für das sich hier ankündigende Millionengrab muss sofort die Reißleine gezogen werden”, fordert der Verband. Er erinnert daran, dass für das Flussbad Ausgaben in Höhe von 77 Millionen Euro veranschlagt seien. Mit dem Geld könne alternativ rund die Hälfte des Sanierungsrückstaus bei den Berliner Bädern beseitigt werden, was dem Schul- und Vereinsschwimmen zugute käme, so der BdSt.

Im Jahr 2016 startete in Berlin das Projekt für kostenfreies WLAN im öffentlichen Raum. Foto: IMAGO / Christian Ditsch
2016 startete in Berlin das Projekt für kostenfreies WLAN im öffentlichen Raum. Foto: IMAGO / Christian Ditsch

2. Free WiFi Berlin

Freies Internet in der ganzen Stadt. Was in anderen Metropolen wie Tel Aviv bereits funktioniert, ist in Berlin noch immer Zukunftsmusik. Im Jahr 2014 investierte der Senat in Form einer sogenannten Anschubfinanzierung rund 170.000 Euro für einen freien WLAN-Zugang in der Hauptstadt. Daraus entstanden laut dem Bund der Steuerzahler inzwischen Kosten in Höhe von 3,2 Mio. Euro.

Mit “Free WiFi Berlin” versuche der Senat krampfhaft, mit einem lückenhaften Flickenteppich aus WLAN-Routern ein Parallelangebot zu den bereits staatlich regulierten Mobilfunknetzen der privaten Anbieter aufzubauen, so der Bund der Steuerzahler.

Allerdings würden diese inzwischen im gesamten Stadtgebiet mit beinah 100-prozentiger Abdeckung LTE-Surfgeschwindigkeit zu überschaubaren Preisen anbieten, so der BdSt. Wozu also noch das kostenintensive, zusätzliche Angebot der Stadt, fragt sich sicherlich nicht nur der Bund der Steuerzahler.

Baustelle der Garnisonskirche in Potsdam. Foto: IMAGO / PEMAX
Baustelle der Garnisonskirche in Potsdam. Foto: IMAGO / PEMAX

3. Garnisonskirche in Potsdam

Ebenfalls in die Schusslinie des Verbands geraten: der Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche. Diese wird seit 2017 gebaut und fast 25 Mio. Euro der mehr als 40 Mio. betragenden Baukosten zahlt der Bund. Laut dem Verband handele es sich um Millionenzuschüsse, die nötig seien, um Deckungslücke zwischen Baukosten und Spenden zu schließen.

Laut dem Verband habe der Bund die Bewilligung der Fördermittel nicht hinreichend geprüft. Es sei gar nicht klar gewesen, ob die Stiftung Garnisonkirche Potsdam (SGP) die nötigen Mittel aufbringen kann.

Zudem kritisiert der BdSt, dass keine günstigere Bauweise für die Garnisonskirche gewählt wurde. Durch eine “moderne Bauweise wäre der Zeit-, Kosten- und Ressourcenaufwand geringer gewesen”, so der Verband, laut dem beides zusammen letztlich zu höheren Ausgaben führt.

Verschwendung an allen Ecken und Enden

Doch das sind nur drei von insgesamt 99 Fällen der Steuerverschwendung, die der Bund der Steuerzahler in seinem neuesten “Schwarzbuch” kritisiert. Alleine in Berlin lassen sich laut dem Verband viele weitere Beispiel für den oft sorglosen Umgang mit dem Geld der Bürger auf kommunaler, Landes- und Bundesebene ausmachen.

Dazu zählt auch ein frisch sanierter Gehweg in Berlin-Pankow, der offenbar auf Antrag der Grünen für knapp 50.000 Euro umgebaut wurde. Angeblich verstößt er gegen das Berliner Mobilitätsgesetz und muss wohl erneut umgebaut werden. Um den Gehweg sei inzwischen ein ganzer Parteienstreit entfacht.

Kritik am Bund der Steuerzahler

Doch zur ganzen Wahrheit gehört auch, dass der Bund der Steuerzahler im Allgemeinen und dessen “Schwarzbuch” im Speziellen ebenfalls regelmäßig und schon seit längerem in der Kritik stehen und keinesfalls als neutral zu betrachten sind. Der Bund der Steuerzahler ist ein Lobbyverband, der sich unter anderem für Steuersenkungen stark macht und hohe Staatsverschuldungen kritisiert. 

Auf den Seiten von Lobbypedia heißt es zum Bund der Steuerzahler: “Die Kernforderungen des BdSt nach geringeren Steuern und Abgaben, Bürokratieabbau und Abbau der Staatsverschuldung sind auf einen ‘schlanken Staat’ gerichtet, den Wirtschaftsverbände und neoliberale Denkfabriken propagieren.” 

So kritisierte auch der Bundesrechnungshof bereits den BdSt, unter anderem wurde ihm Ungenauigkeiten und Übertreibungen in der Darstellung von Steuerverschwendung vorgeworfen, wie unter anderem das Spiegel-Magazin bereits 2010 berichtete. Zudem würden die langfristigen politischen Ziele von Subventionen bei der Auswertung des Bundes der Steuerzahler oft nicht berücksichtigt, so die Kritik.

Die ausführlichen Fassungen der vom BdSt genannten Fälle in Berlin und Brandenburg sowie viele weitere aus Bund, Ländern und Kommunen lesen Sie auf www.schwarzbuch.de oder im gedruckten Schwarzbuch. 

Text: red/su