Das Vertrauen der Berliner in die Verwaltung ist erschüttert: Im Innenausschuss wurde jetzt das Ausmaß der Pannenserie am Superwahlsonntag am 26. September bekannt. Und auch, wie der Berliner Senat ein erneutes Chaos bei kommenden Wahlen verhindern will.
Was Klaus Zapf vom Bezirkswahlausschuss Treptow-Köpenick am Superwahltag erlebt hat, sprengt seine Vorstellungskraft. „Kurz vor 8 Uhr morgens, als die Wahllokale öffneten, erfuhren wir, dass etliche Wahlvorstände ihren Einsatz abgesagt hatten“, berichtet er. Die Briefwahlunterlagen seien erst zum Start der Abstimmung eingetroffen. Ganz zu schweigen von den langen Schlangen und fehlenden Stimmzetteln in anderen Stadtbezirken. Sein Fazit: „Der Senat hätte diesen besonderen Wahltag besser vorbereiten müssen.“
Am 4. November wird das neu gewählte Berliner Abgeordnetenhaus zusammentreten. Doch das Drama um die Wahlen zum Deutschen Bundestag, zum Berliner Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksparlamenten sowie um den Volksentscheid zur Vergesellschaftung von Wohnungen am 26. September wird dann längst nicht überstanden sein.
Vier Wochen Zeit für Einspruch
In gut zwei Wochen erscheint das amtliche Endergebnis der Abgeordnetenhauswahl im Amtsblatt. Dann sind vier Wochen Zeit, um beim Verfassungsgerichtshof gegen das Wahlergebnis Einspruch zu erheben. Die zurückgetretene Landeswahlleiterin Petra Michaelis und Martin Sonneborn, Vorsitzender der Satire-Partei „Die Partei“, haben einen solchen Schritt bereits angekündigt. Das könnte bedeuten, dass weitere Stimmbezirke neu ausgezählt werden.
Das Vertrauen in das Land Berlin als Organisator von Wahlen ist erschüttert. Darin waren sich Innensenator Andreas Geisel (SPD), der die Rechtsaufsicht über die Landeswahlleitung führt, und Vertreter der Fraktionen der rot-rot-grünen Senatskoalition wie auch der Opposition bei der Sondersitzung des Innenausschusses zu den Wahlpannen in der vergangenen Woche einig. Jetzt ist man bemüht, das Vertrauen wiederherzustellen.
Knapper Vorsprung in Wahlkreisen
Geisel und Michaelis versuchten es im Ausschuss zunächst mit Aufklärung. Michaelis legte einen Bericht zum Ausmaß der Pannen bei der Abgeordnetenhauswahl vor. Demnach gab es in 207 von 2.245 Wahllokalen Unregelmäßigkeiten. In 24 Wahllokalen wurden 1.608 falsche Stimmzettel für die Erststimme ausgegeben. Diese falschen Stimmabgaben wurden als ungültig gewertet.
In 56 Wahllokalen wurden 3.789 Erststimmenzettel und 1.213 Zweitstimmenzettel an Wahlberechtigte nicht ausgegeben. Ihnen war die Stimmabgabe nicht möglich. Im Wahlkreis 6 in Charlottenburg-Wilmersdorf und im Wahlkreis 1 in Marzahn-Hellersdorf könnten die Unregelmäßigkeiten mandatsrelevant sein, dort gewannen die Kandidaten mit besonders knappem Vorsprung.
Kandidat verwechselt
Zu Beginn dieser Woche wurde zudem eine tatsächlich mandatsrelevante Panne bekannt: Einem Politiker aus Reinickendorf wurde fälschlich ein Mandat im Landesparlament zugesprochen. Zuvor war es zu einer Namensverwechslung gekommen: Zur Wahl angetreten waren zwei Männer mit dem Namen Andreas Otto.
Während der 59-jährige Otto für die Grünen in Pankow antrat und mit mehr als 41 Prozent ins Abgeordnetenhaus gewählt wurde, holte sein 54-jähriger Namensvetter für die FDP in Reinickendorf 5,3 Prozent. Die Einladung für das Abgeordnetenhaus erhielt Andreas Otto aus Reinickendorf.
Innensenator entschuldigt sich
Geisel entschuldigte sich im Ausschuss für die Unregelmäßigkeiten. Um einen weiteren Reinfall bei künftigen Abstimmungen zu verhindern, will er im November eine Expertenkommission einsetzen. Ehemalige Wahlleiter, Juristen sowie Vertreter von zivilgesellschaftlichen Initiativen und weiteren Bereichen sollen herausfinden, ob und wie der organisatorische und rechtliche Rahmen für die Abgeordnetenhauswahl verbessert werden muss. Die Suche nach Personal laufe bereits.
Auch eine bessere personelle Ausstattung der Bezirkswahlämter und der Landeswahlleitung sei zu prüfen. Zudem gehöre der Einsatz von ehrenamtlichen Wahlhelfern in der bisherigen Form auf den Prüfstand. Anstelle der sonst üblichen rund 21.000 Unterstützer waren am Superwahltag 37.000 eingeplant. 1.000 hätten kurzfristig abgesagt. Möglicherweise müssen die Wahlhelfer besser geschult werden, so Geisel.
Personal überfordert
„Wichtig ist jetzt, dafür zu sorgen, dass alle Fehler analysiert werden und dafür gesorgt wird, dass sie sich nicht wiederholen können“, erklärte der scheidende CDU-Fraktionschef Burkard Dregger nach der Ausschusssitzung.
Dregger: „Es muss überprüft werden, ob auch in Zukunft in Berlin Wahlen auf Bundes-, Landes- und Bezirksebene an einem Tag stattfinden sollen. Die durch die Zusammenlegung angestrebte hohe Wahlbeteiligung ist wünschenswert. Aber mir ist die Fehlerlosigkeit der Wahlen noch wichtiger.“ Es sei schon im Frühjahr absehbar gewesen, dass das Personal am Superwahltag überfordert sein könnte.
Text: Nils Michaelis, Bild: IMAGO/Christian Spicker