
Berlin (dpa) – Ein Jahr nach dem spektakulären Gefangenenaustausch mit Russland verteidigt der damalige Bundesjustizminister Marco Buschmann die Ausreise des sogenannten Tiergartenmörders. «Die Entscheidung hat dafür gesorgt, dass mit Wladimir Kara-Mursa die vage Hoffnung auf ein demokratisches Russland der Zukunft weiterhin lebt», erklärte der FDP-Politiker auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.
Der russische Oppositionelle Kara-Mursa war einer von 16 Gefangenen, die am 1. August 2024 von Russland und Belarus freigelassen und in den Westen ausgeflogen wurden. Im Gegenzug erhielt Russland zehn Gefangene, darunter der Russe Wadim Krassikow. Er war vom Berliner Kammergericht wegen Mordes an einem Georgier im Kleinen Tiergarten in Berlin 2019 zu lebenslanger Haft verurteilt worden. An seiner vorzeitigen Übergabe an Russland gab es Kritik.
Abwägung zweier Rechtsgüter
Buschmann bestätigte, dass die Entscheidung darüber die schwierigste seiner Zeit als Minister gewesen sei. «Denn es ging um die Abwägung zweier bedeutender Rechtsgüter: Menschenleben einerseits und die gerechte Strafe für einen Mörder andererseits.» Er habe lange über das Argument nachgedacht, dass der Gefangenenaustausch Russland ermuntern könnte, weitere westliche Staatsbürger als «Geiseln» für künftige ähnliche Aktionen festzunehmen.
«Aber am Ende muss man sagen, dass schon vor dem Gefangenaustausch niemand mehr in Russland sicher war», schrieb Buschmann auf Fragen der dpa. «Schon vorher wurden Menschen willkürlich inhaftiert, fielen von Hochhäusern oder wurden auf offener Straße erschossen. Die Lage konnte sich durch meine Entscheidung kaum verschlechtern, weil sie schon vorher unerträglich war.»
Anweisung an den Generalbundesanwalt
Formal erteilte Buschmann dem für Krassikows Strafvollzug zuständigen Generalbundesanwalt eine Weisung. Bedenken wegen der Gewaltenteilung hält der frühere Justizminister für unbegründet. «Das Gegenteil ist richtig», meint Buschmann. Rechtlich sei ein solcher Austausch erlaubt, die Entscheidung sei aber politisch. «Daher darf man sie gerade nicht der Justiz zumuten. Die Verantwortung muss der zuständige Minister als Politiker übernehmen. Das habe ich mit meiner Weisung getan.»