Berlin/Leipzig (dpa) – Im Verbotsverfahren gegen das rechtsextreme Magazin «Compact» verkündet das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute (10.00 Uhr) sein Urteil. Im Eilverfahren hatten die Richter das Verbot im vergangenen Sommer vorläufig ausgesetzt, so dass das Blatt vorerst weiter erscheinen konnte. Nun steht die endgültige Entscheidung im Hauptsacheverfahren an.
Bei der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesgericht haben sich die Prozessbeteiligten zwei Tage lang einen Schlagabtausch dazu geliefert, ob das Verbot des Magazins gerechtfertigt ist. Die Leipziger Richterinnen und Richter sind in erster und letzter Instanz für Klagen gegen Vereinsverbote zuständig.
Worum geht es?
Die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte das Magazin am 16. Juli 2024 verboten und es als «zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene» bezeichnet. Damit war eine sofortige Einstellung des gesamten Print- und Onlineangebots von «Compact» verbunden.
Rechtlich handelt es sich bei dem Schritt um ein Vereinsverbot – laut Bundesinnenministerium können auch Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen darüber verboten werden.
Dagegen hatte das Bundesverwaltungsgericht im Eilverfahren keine Einwände erhoben. Die «Compact»-Anwälte kritisieren dies, bezweifeln jedoch selbst, dass das Gericht bereit ist, diese Meinung zu ändern.
Welche Frage steht im Mittelpunkt?
Es geht um die Frage, ob Aussagen des Medienunternehmens noch als Meinungsäußerungen gelten und durch die Presse- und Meinungsfreiheit gedeckt sind. Oder ob sie verfassungsfeindlich sind und eine konkrete Gefährdung darstellen. Entscheidend für die Bewertung ist dabei, ob verfassungswidrige Inhalte prägend für «Compact» sind.
In der Verbotsverfügung hieß es: «Es ist zu befürchten, dass Rezipienten der Medienprodukte durch die Publikationen, die auch offensiv den Sturz der politischen Ordnung propagieren, aufgewiegelt und zu Handlungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung animiert werden.» Das Medienunternehmen agitiert nach Einschätzung des Verfassungsschutzes nicht nur gegen die Bundesregierung, sondern auch «allgemein gegen das politische System».
Ist «Compact» ein reguläres Medienunternehmen?
Laut Ministerium ist die «Compact»-Magazin GmbH seit längerem im Fokus des Verfassungsschutzes und wurde Ende 2021 als gesichert rechtsextremistische Vereinigung eingestuft und beobachtet.
Das 2010 gegründete Medienunternehmen hatte seinen Sitz früher im brandenburgischen Falkensee, inzwischen sitzt es in Stößen in Sachsen-Anhalt. Die Auflage des «Compact»-Magazins liegt nach Gerichtsangaben bei 40.000 Exemplaren, der Online-TV-Kanal erreicht bis zu 460.000 Klicks.
Chefredakteur Jürgen Elsässer – bei der Verhandlung in Begleitung von Ehefrau Stephanie und Paul Klemm vom TV-Sender des «Compact»-Magazins – stellte sich vor Gericht als alleiniger Entscheider dar. Die «Compact»-GmbH könne nicht als Verein bezeichnet werden, so der 68-Jährige.
Er gab an, in dem Verlagshaus hätten etwa 30 Mitarbeiter nahezu rund um die Uhr gearbeitet. Dabei seien sie mit der Erstellung und Verbreitung der redaktionellen Arbeit voll ausgelastet gewesen. Statt Werbung zu schalten, habe man Pressefeste veranstaltet und die eigene «Rolle überhöht, als ob wir Teil einer Bewegung wären».
Elsässer betonte, dass es zwar vereinzelt rechte Autoren in dem Magazin gebe, «“Compact“ ist aber nicht rechts und schon gar nicht rechtsextrem». Eine besondere Bedeutung kommt bei der Beurteilung auch dem Verhältnis der «Compact»-Macher zu dem österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner zu, der mehrfach in dem Magazin zu Wort kam. Es sei zu klären, inwieweit die Kläger sich dessen Konzept zu eigen machten – und in welcher Form, erklärte der Vorsitzende Richter Ingo Kraft.
Wie blickt das «Compact»-Team auf das Urteil?
Elsässer zeigte sich vor der mündlichen Verhandlung in Leipzig zuversichtlich. «Wir sind optimistisch, dass das Gericht eine demokratische Entscheidung trifft», sagte der 68-Jährige. «In einer Demokratie kann man ein Magazin wie „Compact“ nicht verbieten. Denn „Compact“ verteidigt die freiheitliche-demokratische Ordnung gegenüber den autoritären Übergriffigkeiten der Regierung», erklärte der Chefredakteur. Sein Anwalt, Laurens Nothdurft, erwartet ein richtungsweisendes Urteil.
Falls gegen seine Erwartungen das Verbot bestätigt werde, sei «Compact» sofort illegal, erklärte Elsässer. Zwar sei der Weg nach Karlsruhe zum Bundesverfassungsgericht möglich. Das habe aber keine aufschiebende Wirkung. «Wir sind auf alles vorbereitet», sagte er.
Wie beurteilen Journalistenverbände das Verfahren?
«Die Entscheidung hat eine grundsätzliche Bedeutung für die Meinungs- und Pressefreiheit», hieß es vom Deutschen Journalisten-Verband (DJV). Die zentrale Frage sei, ob sich eine «kämpferisch-aggressive Haltung der Vereinigung» gegenüber der Verfassungsordnung belegen lasse. «Nur dann wäre ein vollständiges Verbot gerechtfertigt», so der Verband auf Anfrage. Denkbar seien auch Maßnahmen wie eine Einschränkung einzelner Beiträge, Veranstaltungsverbote oder Orts- und veranstaltungsbezogene Äußerungsverbote.
Auch aus Sicht von Reporter ohne Grenzen (RSF) berührt der Fall zentrale Fragen der Pressefreiheit. Das Urteil könnte «weitreichende Signalwirkung für den Umgang mit Medien an der Grenze zur Verfassungsfeindlichkeit» haben, hieß es von der Organisation.