Viele Wahlsieger vom 26. September 2021 lagen nur mit sehr wenigen Stimmen vorn. Droht bei der Wiederholung der Berlin-Wahl am 12. Februar 2023 ein erneutes Kopf-Kopf-an-Kopf-Rennen? Eine Expertin hält auch einen ganz anderen Ausgang für möglich.
Am Abend des 26. September 2021 hatte Oda Hassepaß Grund zur Freude. Zum ersten Mal zog die Grünen-Politikerin ins Berliner Abgeordnetenhaus ein. Vor allem aber hatte sie dem weitaus bekannteren Klaus Lederer (Linke) den Wahlkreis Pankow 3 abgeknöpft. Beide waren dort als Direktkandidaten angetreten. 23,8 Prozent der Stimmen holte Hassepaß damals. „Wow, das ist so toll“, schrieb sie auf ihrer Website.
Sie schrieb aber auch, dass die Auszählung „ein Krimi“ gewesen sei. Die Verkehrsexpertin lag nämlich nur 0.1 Prozent vor Lederer, dem Bürgermeister.
„Krimi“ klingt Nachhinein fast verharmlosend. Im Wahlkreisverband Pankow, der auch den besagten Wahlkreis umfasst, war es an jenem „Superwahlsonntag“ zu besonders vielen Unregelmäßigkeiten gekommen. Es spricht jedenfalls einiges dafür, dass es in Lederers Wahlkreis erneut sehr knapp wird. Damals wie heute profitieren die Grünen von steigenden Umfragewerten. Hassepaß ließ dieser Tage verlauten, guten Mutes in den Wahlkampf zu ziehen.
Nur 215 Stimmen
Auch in vielen anderen Wahlkreisverbänden dürfte es am 12. Februar 2023 ein erneutes Kopf-an-Kopf-Rennen geben. Etwa in Lichtenberg, Charlottenburg-Wilmersdorf, Pankow, Reinickendorf oder Marzahn-Hellersdorf.
Im Wahlkreis Lichtenberg 2 holte Martin Pätzold von der CDU im September 2021 das Direktmandat. Er gewann die Wahl mit 21,3 Prozent der Stimmen, gefolgt von Robert Schneider (Linke) mit 21,0 Prozent. Und auch der Drittplazierte Dirk Liebe von der SPD hat gute Chancen: Zwischen ihm und dem Direktmandat lagen 2021 nur 215 Stimmen.
Knapp ging die Abstimmung auch im Wahlkreis Reinickendorf 2 aus. Nur 61 Stimmen lagen seinerzeit zwischen Wahlsieger Jörg Stroedter (SPD) und der Zweitplatzierten Emine Demirbüken-Wegner (CDU). Offiziell muss sich Demirbüken-Wegner erneut zur Wahl stellen, doch ein etwaiges Mandat würde sie nicht antreten: Die CDU schickt sie ins Rennen um den Posten als Bezirksbürgermeisterin von Reinickendorf.
„Anderes Ergebnis vorstellbar“
Spannend dürfte es erneut im Wahlkreis Charlottenburg-Wilmersdorf 6 werden: Alexander Kaas Elias (Grüne) erreichte mit 26,4 Prozent einen äußerst knappen Vorsprung vor Franziska Becker von der SPD (26,3 Prozent).
Die Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach hält es für „durchaus vorstellbar“, dass knappe Wahlkreise neu entschieden werden. „Neue Themen und Krisen beschäftigten die Menschen“, sagte sie rbb24. Entscheidend sei die Wahlbeteiligung. 2021 war sie mit mehr als 75 Prozent besonders hoch.
Text: Nils Michaelis