
In dieser Stadt läuft aber auch gar nichts rund. Könnte man meinen, wenn man auf gewisse Stimmen hört.
Eine davon ist Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. “Ich glaube, so was wäre in anderen Städten, zum Beispiel in Bayern, nicht passiert”, sagte der CSU-Politiker nach den Silvesterkrawallen laut einem “Spiegel”-Bericht. Berlin sei einfach “nicht richtig sicher”. Und weiter: “Wie soll man vor einer Stadt Respekt haben, die nicht mal ihre eigenen Wahlen organisieren kann? Dann ist es kein Wunder, dass sie die Sicherheit der Bürger auch nicht gewährleisten kann.”
Dass Berlin regelmäßig mit Spott und Hohn überzogen wird, liegt auch daran, dass die Stadt immer wieder Negativschlagzeilen produziert. Man denke nur an die von Söder erwähnten Sündenfälle namens Silvesterchaos und Wahlwiederholung, aber auch an den Pannen-Flughafen BER.
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Das reiche Kulturleben, das viele Grün am Wasser, die urbane Vielfalt und das gut ausgebaute Nahverkehrsnetz: All das, was Lebensqualität bedeutet und Menschen aus aller Welt anlockt, ist in den Momenten der Empörung schnell vergessen.
Polarisierende Stadt
Keine Frage: Berlin polarisiert. Man liebt es oder man hasst es. „Dazwischen gibt es nichts“, sagte Kultursenator Klaus Lederer jüngst im Interview mit dem „Berliner Abendblatt“. Das sei schon in den 20er-Jahren so gewesen. „Berlin war für den Rest des Landes die Hölle“, so der Linke-Politiker. Lederers Worte lassen sich im Umkehrschluss so deuten: Die Berliner selbst empfinden das Leben in ihrer Stadt als himmlisch und paradiesisch.
Dass Menschen in anderen Regionen diese Einschätzung nicht unbedingt teilen, zeigt eine Umfrage des britischen Meinungsforschungsinstituts YouGov. Demnach haben die Erwachsenen in Deutschland unter den fünf deutschsprachigen Millionenstädten einen klaren Favoriten: Hamburg. Deutschlands zweitgrößte Stadt gilt mit einer Zustimmung von 25 Prozent „am sympathischsten“. Danach folgen München (19 Prozent), Wien (15 Prozent), Berlin (zwölf Prozent) und Köln (elf Prozent).
Überschaubarkeit bevorzugt
Außerdem wurden die Teilnehmer gefragt, in welcher der zehn größten Städte Deutschlands sie am liebsten leben würden. 31 Prozent entschied sich für keine dieser Städte. Je 16 Prozent votierten für Hamburg oder München, zehn Prozent für Berlin, sechs Prozent für Köln und fünf Prozent für Leipzig.
Woraus sich schließen lässt, dass die meisten Deutschen lieber in kleinen und überschaubaren Einheiten leben. Als ideal für Kinder und Rentner gelten Kleinstadt und Dorf. Was die Befragten wohl nicht wussten: Derlei Wohngefühle können sich durchaus auch in einigen Berliner Kiezen und vorzugsweise am Stadtrand entfalten. Die Stadt oder auch Stadtlandschaft insgesamt trennen selbstredend Welten von jeglicher Überschaubarkeit.
Applaus von woanders
Als mit Abstand größte deutsche Metropole wird Berlin das Image eines alles verzehrenden Molochs wohl nie los. Die turbulente Zeit vor gut einem Jahrhundert, als aus Berlin plötzlich Groß-Berlin wurde, wirkt bis heute nach. Was wiederum wenig mit der tatsächlichen Lebensqualität zu tun hat. Trotzdem sind Politik und Behörden gut beraten, die Probleme der Hauptstadt ernsthaft anzupacken. Dann gibt es eines Tages vielleicht auch mal Applaus von woanders.
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Text: Nils Michaelis