Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine kommen am Berliner Hauptbahnhof an. Bild: IMAGO/Reiner Zensen
Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine kommen am Berliner Hauptbahnhof an. Bild: IMAGO/Reiner Zensen

Der Andrang ukrainischer Kriegsflüchtlinge in Berlin ist ungebrochen – und könnte nach Einschätzung des Senats noch viel größer werden. Das neue Ankunftszentrum am früheren Flughafen Tegel soll einiges erleichtern.

„Wir sind erst am Beginn einer Entwicklung“, sagte die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey am Dienstag nach einer Senatssitzung. Die SPD-Politikerin verwies auf Experten, die mit etwa zehn Millionen Geflüchteten aus der Ukraine rechneten – rund ein Viertel der dortigen Bevölkerung.

Nach UN-Angaben verließen seit Beginn des russischen Angriffs vor rund drei Wochen bisher rund drei Millionen Menschen ihr Heimatland. Einen großen Anteil bei ihrer Aufnahme schultern Nachbarstaaten, darunter Polen. Viele der Menschen kommen aber auch nach Deutschland, wobei Berlin schon wegen seiner geografischen Lage erste Anlaufstelle ist.

Laut Sozialverwaltung stiegen am Montag allein am Hauptbahnhof wieder 4.650 Geflüchtete aus Zügen. Mit Bussen fanden weitere 600 den Weg nach Berlin. 1200 Menschen brachte das Land vorläufig unter, also mehr als zuletzt. Die anderen reisten weiter oder fanden privat eine Bleibe.

Giffey: Berlin besonders belastet

„Wir können nach wie vor sagen, dass Berlin im Vergleich zu anderen Bundesländern, auch zu den Flächenländern und den deutschen Großstädten, deutlich mehr belastet ist als andere Regionen“, sagte Giffey, die schon länger auf eine bundesweite Koordinierung bei der Verteilung der Geflüchteten dringt.

Dabei gehe es auch um eine Verteilung nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel, der etwa bei Asylbewerbern zum Tragen kommt, aber bislang nicht bei den Kriegsflüchtlingen. Am Montag habe es dazu noch einmal ein Klärungsgespräch mit dem Bundesinnenministerium gegeben, so die Senatschefin.

Senatschefin Franziska Giffey (Bildmitte) und Sozialsenatorin Katja Kipping (rechts) besichtigen das neue Ankunftszentrum auf dem früheren Flughafen Tegel. Bild: IMAGO/Jens Schicke
Senatschefin Franziska Giffey (Bildmitte) und Sozialsenatorin Katja Kipping (rechts) besichtigen das neue Ankunftszentrum auf dem früheren Flughafen Tegel. Bild: IMAGO/Jens Schicke

In den kommenden Tagen hofft der Senat auf deutliche Fortschritte bei der Registrierung der Menschen und bei ihrer Verteilung auf andere Bundesländer. Das neue Ukraine-Ankunftszentrum im früheren Flughafen Tegel werde zum Ende der Woche in Betrieb gehen, kündigte Giffey an, ohne einen genauen Termin zu nennen.

10.000 Registrierungen pro Tag

Geplant sei dann, täglich bis zu 10.000 ankommende Geflüchtete zu registrieren und gleich verbindlich zu entscheiden, in welche Bundesländer sie – in der Regel mit Bussen – weiterreisen.

Giffey sprach von einem großen logistischen Aufwand. Allein für die Fahrt vor allem vom Hauptbahnhof zum neuen Zentrum würden pro Tag um die 200 Busse benötigt. Zudem sucht der Senat mindestens 400 Mitarbeiter, um im Zentrum an bis zu 100 Schaltern einen Betrieb praktisch rund um die Uhr sicherzustellen.

 


 

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Die Senatsschefin rief Beschäftigte der Landesverwaltung auf, sich zu melden. Personal sollen auch Polizei und Feuerwehr, private Dienstleister, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und die Bundespolizei stellen.

20.000 Menschen untergebracht

Insgesamt brachte der Senat seit Kriegsbeginn nach eigenen Angaben etwa 20.000 Geflüchtete zumindest zeitweise in eilig geschaffenen Quartieren unter. Nicht alle sind noch dort, denn es gibt Fluktuation. Hinzu kommt eine unbekannte Zahl von Geflüchteten, die vorerst privat ein Quartier fanden, sich aber nach und nach als Kriegsflüchtlinge registrieren lassen müssen, wenn sie staatliche Leistungen erhalten oder eine Arbeit aufnehmen wollen.

Sozialsenatorin Katja Kipping (Die Linke) stellte auch für diese Menschen, die bereits in der Stadt sind, möglichst unbürokratische Verfahren in Aussicht. Sie sieht dabei aber neue Herausforderungen auf Berlin zukommen. So herrsche bei manchen bezirklichen Sozialämtern, wo Ukrainer  Nothilfe beantragen können, bereits viel Andrang – bei knapper Personaldecke. „Die Sozialämter sind nicht darauf ausgelegt“, so Kipping. „Es ist keine leichte Situation.“

Kein Katastrophenfall

Trotz der komplizierten Lage lehnt es Giffey weiterhin ab, den Katastrophenfall auszurufen, wie es etwa die CDU fordert. „Wir werden darüber reden, wann der Punkt sein kann, dass man so etwas gegebenenfalls machen müsste“, sagte sie. „Noch ist dieser Punkt nicht gekommen.“ Die Innenverwaltung sei aber beauftragt worden, bis zur nächsten Senatssitzung ein Grundlagenkonzept zum Thema zu erarbeiten.

Text: dpa