
Potsdam/Berlin (dpa/bb) – Nach der Abschiebung einer jesidischen Familie aus Deutschland in den Irak will das Bundesinnenministerium zunächst die weitere juristische Entwicklung des Falls abwarten. «Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass die Betroffenen keinen Anspruch auf eine Schutzzuerkennung haben», sagte eine Ministeriumssprecherin der Deutschen Presse-Agentur. «Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Der weitere Verfahrensverlauf bleibt daher abzuwarten.»
Die Familie mit vier minderjährigen Kindern wohnte mehrere Jahre in Lychen in der Uckermark und war am Dienstag vergangener Woche in den Irak abgeschoben worden. Wegen eines Eilantrags hob das Potsdamer Verwaltungsgericht die Ausreisepflicht am selben Tag auf, die Abschiebung lief jedoch schon. Brandenburgs Innenminister René Wilke (parteilos) hatte angekündigt, er wolle die Familie in Abstimmung mit dem Bund zügig zurückholen, wenn die gerichtliche Entscheidung Bestand hat. Das Ministerium sieht derzeit jedoch keine Möglichkeit für eine Rückholung.
Petition von Schülern für Rückkehr der Familie
Das Verwaltungsgericht wies die Klage der Familie gegen die Ablehnung ihres Asylantrags aus dem Jahr 2023 als unbegründet ab. Am Dienstag wurde das Urteil bekannt. Das Asylbegehren wurde von «offensichtlich unbegründet» in «unbegründet» geändert. Das Gericht sah weder eine individuelle Bedrohung wie Verfolgung durch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) noch hinreichende Anhaltspunkte für eine Gruppenverfolgung.
In Lychen starteten Schülerinnen und Schüler eine Petition zur Rückkehr ihres Mitschülers und seiner Familie. Über 20.000 Menschen haben die Petition auf der Plattform Change unterzeichnet. «Unser Freund und Klassenkamerad wurde ohne ersichtlichen Grund aus unserer Klasse in den Irak abgeschoben, und wir fühlen uns seinetwegen sehr besorgt», heißt es dort. «Er hat immer für ein Lächeln gesorgt und unser Schulleben bereichert.»
Anwältin und Grüne wollen mehr Schutz für Jesiden
Die Jesiden sind eine religiöse Minderheit. Der Bundestag hatte im Jahr 2023 Verbrechen der Terrormiliz IS im Jahr 2014 an den Jesidinnen und Jesiden als Völkermord anerkannt.
Die Anwältin der Familie prüft, nach dem Gerichtsurteil in Berufung zu gehen. Zudem ist ein Eilantrag zur Rückholung der Familie offen. «Die ethnisch-religiöse Minderheit ist im Irak andauernder Verfolgung, insbesondere durch die kurdischen Machthaber ausgesetzt», sagte Kareba Hagemann, nach eigenen Angaben selbst Jesidin, der dpa. Statt die überlebenden Opfer zu schützen, lege die internationale Gemeinschaft – auch Deutschland – das Schicksal der Opfer in die Hände der kurdischen Regierung.
Die Grünen halten ebenfalls mehr Schutz für notwendig. «Es läuft etwas gewaltig schief, wenn gut integrierte jesidische Schutzsuchende mit minderjährigen Kindern trotz des erlebten Völkermordes, der anhaltenden gesellschaftlichen Diskriminierung und der Anerkennung des Völkermordes durch den Deutschen Bundestag abgeschoben werden», sagte die Landesvorsitzende Andrea Lübcke. Sie verwies auf einen Gesetzentwurf der Grünen-Bundestagsfraktion mit dem Ziel, eine Bleibeperspektive und damit Sicherheit für Jesidinnen und Jesiden zu schaffen.