Die HU-Präsidentin geht davon aus, dass ein Großteil der Aktivisten, keine Studierenden waren.
Die HU-Präsidentin geht davon aus, dass ein Großteil der Aktivisten, keine Studierenden waren. Foto: Christophe Gateau/dpa

Berlin (dpa/bb) – Herausgerissene Bänke, beschmierte Wände, Hamas-Symbole und israelfeindliche Parolen: Der Emil Fischer-Hörsaal an der Humboldt-Universität (HU) ist am Mittwoch von propalästinensische Aktivisten regelrecht verwüstet worden. Die Polizei hat nach der Besetzung des Hörsaals 100 Strafermittlungsverfahren eingeleitet. 

Es besteht unter anderem der Verdacht des schweren Hausfriedensbruches, des besonders schweren Landfriedensbruches, der Volksverhetzung, des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen sowie des Widerstandes gegen Polizeivollzugsbeamte, wie es in einer Mitteilung hieß.

Schaden liegt zwischen 60.000 und 100.000 Euro

HU-Präsidentin Julia von Blumenthal sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Wir gehen davon aus, dass der Schaden zwischen 60.000 und 100.000 Euro liegt.»

Auch im Treppenhaus und an der Fassade wurden Sprüche an die Wand gesprüht. Die Botschaft ist unmissverständlich: An den Fenstern prangen rote Dreiecke, Symbol der Terror-Organisation Hamas, die Wände sind mit Sprüchen übersät, die das Existenzrecht Israels infrage stellen und zur Gewalt aufrufen.

«Rote Linien» wurden überschritten

«Das sind inhaltlich roten Linien, bei denen klar ist, das ist mit den Grundwerten unserer Universität und mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht vereinbar», sagte von Blumenthal. Relativ schnell sei deshalb klar gewesen, dass das Präsidium den Hörsaal von der Polizei räumen lasse. Auch wegen des Ausmaßes der Zerstörung.

Nach jetzigem Stand geht die Universität davon aus, dass alle dort geplanten Lehrveranstaltungen vorerst verlegt werden müssen. Der Hörsaal hat nach Angaben der HU 268 Plätze. 

Die Polizei begann auf Wunsch des HU-Präsidiums gegen 17.20 Uhr mit der Räumung. Bei dem Einsatz sollen Aktivisten unter anderem eine Flüssigkeit auf Polizisten geschüttet haben, bei der es sich um Urin handeln könnte. Außerdem sei mit Pyrotechnik geworfen worden. Während der Räumung hätten zwei Menschen die Einsatzkräfte angegriffen und Widerstand geleistet. Zwei Polizisten seien an der Hand verletzt worden, setzen ihren Dienst aber fort.

Etwas mehr als 200 Aktivistinnen und Aktivisten

Im Hörsaal hätten sich 89 Menschen aufgehalten, auf der Straße rund 120. Die Polizei führte eigenen Angaben zufolge 95 freiheitsbeschränkende Maßnahmen durch. 

Hintergrund der Protestaktion war nach Angaben der Besetzer sowie der Polizei die drohende Ausreise von vier Menschen nach propalästinensischen Protesten an der Freien Universität. Ihnen wird vorgeworfen, bei Protesten im Oktober vergangenen Jahres Uni-Beschäftigte mit Äxten und Knüppeln bedroht zu haben. Das Berliner Landesamt für Einwanderung (LEA) hatte gegen die drei EU-Bürger und eine Person aus den USA aufenthaltsbeendende Bescheide erlassen, wie die Innenverwaltung mitteilte. 

Am Donnerstagvormittag demonstrierte eine kleine Gruppe an Aktivisten vor dem Hauptgebäude der HU erneut gegen die Ausreise.

Wer sind die Aktivisten, die am Mittwoch beteiligt waren? «Ich gehe davon aus, dass es sich um die bekannte Szene in Berlin handelt, die zum Teil aus Studierenden Berliner Hochschulen besteht, aber zu einem erheblichen Teil auch aus Menschen, die keine Studierenden sind», sagte von Blumenthal. An der Universität, die 36.000 Studierende hat, seien diese Aktivisten eine absolute Minderheit. 

Humboldt-Universität hat aus Besetzung vor einem Jahr gelernt

Die Bilder wecken Erinnerungen an die Besetzung des HU-Instituts für Sozialwissenschaften vor fast einem Jahr. Das Gebäude war über Nacht besetzt worden. Damals duldete die Universitätsleitung die Besetzung zunächst und setzte auf einen Dialog. Der Schaden war am Ende immens. Es wurden Wände, Türen und Büros beschmiert und Regale umgestoßen. 

«Wir haben genau aus der Erfahrung von vor einem Jahr Konsequenzen gezogen und die roten Linien nachgeschärft», sagte von Blumenthal. Ein wichtiger Punkt sei, das Ausmaß der Sachbeschädigung festzustellen. Mittlerweile habe man auch mehr Klarheit darüber, welche Aussagen im Rahmen einer kontroversen Diskussion vertretbar seien und welche nicht.

Hamas-Dreiecke sollen so schnell wie möglich entfernt werden

Das sei nach wie vor keine leichte Aufgabe. «Es ist unsere Aufgabe, durchaus ein Raum für politische Diskussionen zu sein.» Gleichzeitig müsse das friedliche Zusammenleben der Hochschulmitglieder ermöglicht werden. Besetzungen seien Teil von Auseinandersetzungen an Universitäten, mit denen man als Universitätsleitung immer wieder rechnen müsse. 

Die Hamas-Dreiecke sollen jetzt so schnell wie möglich entfernt werden, sagte von Blumenthal. Alles andere würde erst später aufgeräumt. Zuerst müssten die Schäden begutachtet werden.