Christiane Paul, Charly Hübner. Bild: X Verleih AG / Frédéric Batier
Christiane Paul, Charly Hübner. Bild: X Verleih AG / Frédéric Batier

„Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ ist Wolfgang Beckers filmisches Vermächtnis

Viele Filme waren es nicht, die Wolfgang Becker gedreht hat, dafür waren darunter ganz besondere: so der wunderbare „Kinderspiele“ von 1991, „Das ­Leben ist eine Baustelle“ von 1997 und natürlich „Good Bye, Lenin!“ von 2003. Am 12. Dezember 2024 ist Becker im Alter von 70 Jahren an Krebs gestorben.


Alle Beteiligten wussten über die erschwerten Umstände, ­seinen letzten Film zu realisieren. Dem Erkrankten wurde Achim von Borries – er arbeitete zuvor an der Serie „Babylon Berlin“ mit – als Backup zur Seite gestellt, und sowohl Geldgeber als auch die erstaunliche Schar von Schauspielstars waren ­sofort mit von der Partie.

Die so gut zu Beckers Oeuvre passende Vorlage lieferte ­Maxim Leos Roman „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“, der mitunter an „Good Bye, Lenin!“ erinnert: Hier wie dort geht es um das vereinte Deutschland in Berlin, hier wie dort um eine große Lüge.

Wenn einer im Jahr 2019 Betreiber einer Videothek ist, dann kann man konstatieren, dass so einer nicht den neuesten Trends hinterherhechelt. Micha Hartung (großartig: Charly Hübner), Inhaber der Videothek „The Last Tycoon“, lässt das Leben gerne an sich vorbeifließen.

Doch dann steht eines Tages Alexander Landmann (Leon Ullrich) vor ihm, Reporter beim Magazin „Fakt“. Micha sei doch derjenige, der am frühen Morgen des 23. Juni 1984 eine Weiche so gestellt habe, dass eine S-Bahn mit 127 Fahrgästen schnurstracks von Ostberlin in den Westteil der Stadt gefahren sei. Er sei ein Held, von dem keiner wisse!

Einen finanziellen Booster sehend lässt sich der verschuldete Videothekar auf die hane­büchene Geschichte ein, nicht ahnend, was für ein Hype die ­Titelstory in „Fakt“ auslöst. Plötzlich ist Micha das Gesprächsthema, Tochter Nathalie (Leonie Benesch) ist genauso platt wie Nachbarin Beate (Eva Löbau).

Und mit der betörenden Staatsanwältin Paula Kurz (Christiane Paul) tritt eine der damaligen S-Bahn-Insassen in sein jetzt so turbulentes Leben. Schnell sitzt Micha in einer Talkshow und soll zum 30. Jahrestag des Mauerfalls eine Rede halten, so will es der Bundespräsident. Nur einer, der traut der ganzen Sache nicht: der DDR-Bürgerrechtler Harald Wischnewsky (Thorsten Merten).

Wolfgang Becker starb kurz nach den Dreharbeiten, Achim von Borries und Produzent Stefan Arndt haben die Tragikomödie in seinem Sinn vollendet. Das ist ihnen mit Bravour gelungen, atmet doch „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ vom Beginn an diesen Beckerschen Geist aus Humor und Sensibilität, aus Drama und Groteske, angereichert mit pointierten Dialogen und viel Wortwitz.

Dazu: ein Schauspielerensemble, das mit Herzblut agiert – ganz wunderbar die kleine Rolle von Daniel Brühl als schnöseliger Filmstar oder ­Peter Kurth als Stasischerge mit Wampe. Natürlich ist dies auch eine Satire auf die hektische Medienwelt, wo sich alles sofort verselbstständigt, aber auch eine Geschichte über typisch deutsche Befindlichkeiten. Ein Film mit Herz.


Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße D 2025, 112 Min., R: Wolfgang Becker, D: Charly Hübner, Christiane Paul, Leon Ullrich, Leonie Benesch, Eva Löbau u.a., Kinostart: 11.12.