Stau an der Elsenbrücke bei Nacht. Bild: IMAGO/Sabine Gudath
Stau an der Elsenbrücke bei Nacht. Bild: IMAGO/Sabine Gudath

VERKEHRSPLANUNG Nicht nur Brücken auf der Stadtautobahn sind sanierungsbedürftig, auch viele andere solche Bauwerke stehen vor dem Aus. Droht bald der Verkehrskollaps?

So hatte Willy Brandt sich das bestimmt nicht gedacht: In seiner Eigenschaft als ­Regierender Bürgermeister besuchte er 1959 Berlins Partnerstadt Los Angeles und war fasziniert von der Stadtautobahn in der kalifornischen Metropole. Sie diente als Vorbild für die Neuplanung der Berliner A10 (alte Bezeichnung der A100), einer Ringautobahn, die einmal rund um die Innenstadt führen sollte, kunstvoll angelegt mit vielen Tunneln und Brücken. Und gerade diese Brücken sind es, die in den letzten Jahren zu immer mehr Problemen führten.


Dass die längste dieser Brücken, die 930 Meter überspannende Rudolf-Wissell-Brücke (Baujahr 1959) in Siemensstadt, ­marode war, ist schon länger bekannt. Aber die richtig dramatischen Schäden fielen dann im März 2025 an der Ringbahnbrücke auf, die die AVUS mit dem Stadtring verband. In Windeseile wurde das bröckelnde Bauwerk abgerissen; der Wiederaufbau soll sport­liche zwei Jahre dauern.

Aber das war ja nur der Anfang. Seit Juni sind die fünf kleineren Brücken rund um den Heidelberger Platz und die ­Detmolder Straße auf „unbestimmte Zeit“ auf nur noch zwei Spuren verengt. Ironie am Rande und gleichzeitig komplett nutzloses Party­wissen: In den Säulen einer dieser Brücken ­hatte die Band Einstürzende Neubauten ­ihren ersten Probenraum. Da diese Bauwerke ähnlich konstruiert sind wie die Ringbahnbrücke, könnte es sein, dass auch sie vom Einsturz bedroht sind. Man stelle sich vor: Die A100 mit diesen drei Baustellen – Schmargendorf, Ringbahn und Siemensstadt – und das Verkehrschaos in dieser Stadt wäre perfekt.

Brückenschäden allüberall

Aber auch anderswo in Berlin steht es mit unseren Brückenbauwerken nicht zum Besten: Seit nunmehr sieben Jahren wird an der Elsenbrücke gebaut, die nicht nur Neukölln und Kreuzberg mit Friedrichshain und Treptow verbindet. Nein, seit der Eröffnung des letzten Bauabschnitts der A100 mündet an dieser Stelle auch eine ­dreispurige Autobahn in eine einspurige Dauerbaustelle. Das gut durchdachte Ergebnis: Berlins längster Parkplatz. Und die Brücke, die westlich der Wuhlheide eine schnelle Fahrt von Köpenick nach Rummelsburg ermöglichte, war so baufällig, dass man sie gleich ganz abriss.

Laut der Berliner Verkehrsverwaltung sind es im ganzen Stadtgebiet 63 Brücken, die nur die Zustandsnote 3,0 und schlechter haben, das heißt: Sie sind akut vom Einsturz bedroht. Darunter immerhin so wichtige Bauwerke wie die Barbrücke in Wilmersdorf (hier fährt die U-Bahn-Linie 2 unten durch), so ziemlich alle Brücken, die in Mitte über die Spree führen, der gesamte Breitenbachplatz in Steglitz (hier ist auch der bereits gesperrte Tunnel Schlangenbader Straße betroffen) und die Teltowkanalbrücken in Treptow. Jahrelang wurde in all diesen Fällen die Straßen auf Verschleiß gefahren, nicht nur für die dringend notwendige ­Sanierung fehlte das Geld, auch die Wartung wurde vernachlässigt.

Auch bei den Highways in Los Angeles ­wurde in den letzten Jahrzehnten verkehrspolitisch umgedacht. Dort leitet man die Verkehrsströme mit KI, setzt auf E-Mobilität und neue Konzepte, bei denen auch die Olympischen Spiele 2028 eine wichtige ­Rolle spielen. Willy Brandt hätte seine ­Freude.