Der Baum des Jahres verdrängt gern heimische Arten
Wir stellen Ihnen in der Serie „Naturwesen des Jahres“ 2020 Vertreter aus der heimischen Fauna und Flora vor, die vom Naturschutzbund (NABU) und anderen Verbänden als sogenannte „Jahreswesen“ auserkoren worden sind. Heute geht es um den „Baum des Jahres“: die Robinie.
Die Robinie polarisiert: Hoffnung im klimabedingten Waldumbau – andererseits invasive Baumart, die Naturkleinode bedroht. Die Baum des Jahres Stiftung informiert seit 30 Jahren die Öffentlichkeit über Belange, aber auch Probleme verschiedener Baumarten. Gemeinsam mit Schirmherrin Bundesministerin Julia Klöckner engagiert sich die Baum des Jahres Stiftung auch in diesem Jahr für Wald und Klima. Zarte Fliederblätter und duftend weiße Blütenstände, die von zuweilen bizarr verzweigten Kronen herabhängen und helle Tupfer in die sommerlichen Wälder zaubern – wer könnte von dieser Schönheit etwas Schlechtes denken? Und doch – „mit Robinia pseudoacacia hat das Kuratorium Baum des Jahres eine Baumart gewählt, die die Gemüter von Naturschützern, Städteplanern und Forstleuten in Wallung bringt“, sagt die neue Deutsche Baumkönigin, Charlotte Baumann.
Geringer Anteil
Die vor über 300 Jahren in Mitteleuropa eingeführte Robinie ist für unsere heimische Flora eine Konkurrenz, denn sie ist eine Meisterin im Besiedeln der unwirtlichsten Lebensräume. „Das Geheimnis ihres Erfolges steckt unter der Erde: Bakterien, die an der Wurzel leben, fixieren Luftstickstoff. Dieser reichert sich im Boden an – für stickstoffarme Naturräume wie Magerrasen oder Binnendünen bedeutet dies meist das Ende“, so die Deutsche Baumkönigin. Zwar ist der Anteil von Robinien in deutschen Wäldern mit etwa 0,1 Prozent gering, doch wo die Baumart sich etabliert ist sie nahezu unverwüstlich. Die Robinie steht daher auf der Liste der invasiven Baumarten.
Bedeutende Rolle
Und doch könnte die kontrovers diskutierte Art bei fortschreitender Klimaerwärmung erneut Hoffnungsträgerin werden: Salz- und immissionstolerant kommt sie gut mit städtischem Klima und schwierigen Bodenverhältnissen zurecht. Als Bienenweide ist sie in Zeiten des Insektensterbens eine bedeutende Protagonistin in der Gewinnung von Honig und spielt so eine wichtige Rolle bei der Bestäubung anderer Arten. Ihr zähes Holz weist eine hohe Witterungsbeständigkeit auf und ist im Außenbereich eine ideale Alternative zu Tropenhölzern. Damit die Robinie bei der Mischung klimastabiler Wälder eine Rolle zu spielen kann, ist weitere intensive forstwissenschaftliche Forschung notwendig.
Schnelles Wachstum
Die häufig mit der Akazie verwechselte Robinie (deshalb auch Scheinakazie) zierte im 17. Jahrhundert zunächst Barockgärten und Parks. Bald fand sie aufgrund ihres ungewöhnlich harten Holzes Verwendung im Grubenbau und Forstleute wagten die ersten Versuche sie im Wald einzubringen. Als Pionierbaumart beeindruckt anfangs mit ungewöhnlich schnellem Wachstum, enttäuscht aber später bei der Stammqualität. Nichtsdestotrotz lässt sich das Holz vielfach verwenden: Es ist zäh, witterungsbeständig und auch heute noch beliebt für den Bau von Brücken, Spielplatzgeräten und Terrassenmöbeln.
Datum: 16. April 2020 Text: Manfred Wolf Bilder: Stiftung Baum des Jahres/A. Roloff