Der Gesundbrunnen ist ein geschichtsträchtiges Pflaster

Startpunkt unseres Spaziergangs durch den Humboldthain und den Ortsteil Gesundbrunnen ist der U-Bahnhof Voltastraße der U8. Dort halten wir kurz am neugotischen Beamtentor, das an der Brunnenstraße im Schatten eines Büroturms steht und von den Architekten Paul Tropp und Franz Schwechten entworfen wurde. Das mit zahlreichen Symbolen zum Thema Elektrizität und Industrialisierung geschmückte Backstein-Tor erinnert an die Anfänge der

Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft (AEG). Die ging 1887 aus dem Ankauf der Weddingischen Maschinenfabrik durch die Städtischen Elektrizitätswerke hervor und expandierte 1894 an dieser Stelle, wo ursprünglich ein Viehmarkt gewesen war. Heute ist das Gelände ein Mix aus alten Fabrikgebäuden und neuer, wenig spektakulärer Büroarchitektur, in der aber zahlreiche innovative Techfirmen ihren Platz gefunden haben.

Zwei Bunker

Gleich nebenan liegt der Humboldthain. Er ist einer der drei großen Volksparks Berlins, die im 19. Jahrhundert fürs Volk angelegt wurden. Vom ursprünglichen Park ist nicht mehr viel erhalten. Die Nazis ließen hier von Zwangsarbeitern zwei Bunkeranlagen mit Türmen für die Flakabwehr errichten. Die Türme haben die Alliierten nach dem Krieg vergeblich zu sprengen versucht. Einer der Bunkerreste bietet heute eine schöne Aussicht über Berlin. Noch besser, man nimmt sich etwas mehr Zeit, auch das Innere der Bunkeranlage zu besichtigen. Das kann man mit dem Verein „Berliner Unterwelten“, dessen Ticketcenter dem Park gegenüber am Eingang zum U-Bahnhof zu finden ist.

Heilendes Wasser

Dorthin gelangt man nach einem Abstecher am Sommerbad und dann im Park zurück, vorbei am schönen Rosengarten und hinüber zum Gesundbrunnen-Center. Hier liegen – man mag es kaum glauben – die Wurzeln des Stadtteils. Dort, wo sich heute ein Einkaufszentrum nebst Fern-, Regional- und Stadtbahn-Bahnhof befindet, wurde im 18. Jahrhundert tatsächlich ein Brunnen gebaut, dessen eisenhaltigem Wasser Heilkräfte nachgesagt wurden. Der geschäftstüchtige Hofapotheker Heinrich Wilhelm Behm errichtete hier ein Bad, welches 1809 zu Ehren der Königin Luise in Luisenbad umbenannt wurde. Schnell entwickelte sich die Gegend zu einem beliebten Ausflugsziel der Berliner. Rund um die Quelle, die 1892 nach Bauarbeiten versiegte, entstand eine Vergnügungsmeile mit Varieté, Tanz und Rummel. Direkt nebenan lag weit mehr als 70 Jahre lang mit der „Plumpe“ die Spielstätte von Hertha BSC. Auch deshalb ist der Vorplatz des Gesundbrunnencenters nach der Hertha-Legende Johannes „Hanne“ Sobeck benannt.

Griechischer Tempel

Architektur-Liebhaber schauen hinter dem Gesundbrunnen in der Behmstraße vorbei. Dort befindet sich die 1920 von Rudolf Fränkel entworfene Gartenstadt Atlantic, die unter Denkmalschutz steht. Vorbei an großen türkischen Supermärkten erwarten einen an der Ecke Badstraße/Pankstraße gleich zwei Sehenswürdigkeiten: Die Kirche St. Paul und gegenüber an einer Brandwand die riesige Nike-Werbung mit den Brüdern Jerome, George und Kevin-Prince Boateng, eines der meistfotografierten Streetart-Werke in der Stadt. Zurück zur Kirche: Sie ist eine von vier Kirchen, die Schinkel für die nördlichen Berliner Vororte entworfen hat. Der Bau ist einem griechischen Tempel nachempfunden und ist an dieser verkehrsumtosten Kreuzung ein wirklich idyllisches Kleinod.

Neugotische Burg

Auf der Badstraße geht es zunächst bis zur Panke-Brücke, dann rechts in die Travemünder Straße hinein und ein kleines Stück gen Osten. Hier gibt es ein Überbleibsel des Luisenbades: die Schmuckfassade der Kafé-Küche, in der sich Ausflügler aus Berlin ihren eigenen Kaffee kochen konnten. Heute ist sie Teil der Bibliothek am Luisenbad. Zurück zur Badstraße: Nach Westen führt der Uferweg zunächst über die Gropiusstraße und dann weiter die Orthstraße direkt am Amtsgericht Wedding vorbei. Der opulente neugotische Bau ist angeblich der Meißner Albrechtsburg nachempfunden. Besonders das Portal ist reich verziert, das Foyer mit Treppenhaus atemberaubend. Über die Schönstedt- und Uferstraße sollte man einen Abstecher aufs Gelände der Uferhallen einplanen. In den früheren Zentralwerkstätten der BVG gibt es – noch – Künstler-Ateliers und Tanzstudios.