In Schöneweide schlug einst das industrielle Herz des Berliner Südostens
Der Name Schöneweide entstammt einer Reisebeschreibung des Kurfürsten Joachim II. aus dem Jahre 1598. In dieser betitelte er die ausgedehnte Uferwiese am südlichen Spreeufer als „Schöne Weyde“. Seit dem 17. Jahrhundert wohnen hier auch Menschen (Niederschöneweide) und auch auf dem nördlichen Spreeufer (Oberschöneweide) begann die Besiedelung – mit der Gastwirtschaft Quappenkrug, später als Wilhelminenhof bekannt. Die erste Verbindung zwischen den „Schönen Weiden“ wurde 1885 mit einer Kettenfähre geschaffen. Sie wurde 1891 durch eine Holzbrücke ersetzt. Politisch und wirtschaftlich entwickelten sie sich weiterhin unabhängig voneinander. 1920 wurden sie nach Groß-Berlin eingemeindet.
Denkmalgerechte Sanierung
Der S-Bahnhof Schöneweide liegt im Ortsteil Niederschöneweide. An der Ecke zur Michael-Brückner-Straße überrascht die moderne Architektur der Mittelpunktbibliothek in der alten Feuerwache. Etwas weiter, in der Britzer Straße, ducken sich niedrige Baracken zwischen den Wohnhäusern: das NS-Dokumentationszentrum Schöneweide.
Im Zweiten Weltkrieg war es eines von mehr als 3.000 Zwangsarbeiterlagern im Berliner Stadtraum und ist des letzte erhaltene. Es wurde 1943 unter der Leitung Albert Speers errichtet. In der Wohnunterkunft „Baracke 13“ sind nach einer denkmalgerechten Sanierung die Inschriften italienischer Insassen zu sehen. Das Dokumentationszentrum gehört zur Stiftung „Topographie des Terrors“.
Jenseits der Schnellerstraße führt der Kaisersteg malerisch über die Spree nach Oberschöneweide und gewährt gleich spektakuläre Ausblicke auf das ehemalige Industriegebiet. 25 Großbetriebe, darunter vorherrschend die AEG sowie zahlreiche kleinere Werkstätten prägten den Stadtteil mit. Oberschöneweide wurde zu einem Zentrum der Arbeiterbewegung und blieb auch in der Zeit der Nazidiktatur eine Zelle des Widerstandes.
Malerischer Verfall
Der Ortsteil ist bis heute geprägt von backsteinernen Industriegebäuden, Schornsteinen und Fabrikhallen. Manches steht leer und verfällt mehr oder weniger malerisch, zahlreiche Gebäude fanden neue Nutzer, oft aus der Gründer- und Kreativszene. Ein Spaziergang entlang der Wilhelminenhofstraße führt zu vielen Ateliers, so zum Beispiel in den Rathenau-Hallen oder auf dem Gelände des ehemaligen Transformatorenwerkes. Die denkmalgeschützten Gebäudeensembles repräsentierten einst die modernste Baukunst ihrer Zeit.
Über die Ostendestraße gelangt man vorbei an teils sanierten, teils leerstehenden Fabrikkomplexen zur Straße an der Wuhlheide und zum Volkspark Wuhlheide. Hier gibt es Freizeitattraktionen für alle Generationen: Modellpark, Kletterwald, Rodelberg und das riesige Freizeit- und Erholungszentrum FEZ mit Open-Air-Bühne, Schwimmhalle, Badesee, vielen Spielplätzen und einem Palast mit Theatersaal sowie Platz für viele Arbeitsgemeinschaften und 1.001 Ideen.
Viele Attraktionen
Das FEZ wurde zu DDR-Zeiten als Pionierpalast errichtet und ist heute der größte nichtkommerzielle Erlebnispark Europas. Trotz der vielen Attraktionen fühlt man sich auf den Wegen der 170 Hektar großen Wuhlheide oft wie im Wald. Unterbrochen wird der Baumbestand von in den 1920er-Jahren angelegten Parkanlagen mit weitläufigen Sichtachsen.
Zwei weitere Highlights sind die Freilichtbühne Wuhlheide und die Parkeisenbahn. Die Bühne wurde in den 1950er-Jahren auf Trümmern errichtet und bietet auf ihren Stufen bis zu 17.000 Besuchern Platz. Die Parkeisenbahn mit echten Dampf- und Dieselloks lädt nicht nur zum Mitfahren ein, hier können sich Mädchen und Jungen zu kleinen Eisenbahnern ausbilden lassen. Nur einen kurzen Spaziergang vom FEZ entfernt ist der S-Bahnhof Wuhlheide. Hier kann sich der Spaziergänger entscheiden, mit der S-Bahnlinie 3 entweder zurück in die Stadt zu fahren oder noch einen Abstecher nach Köpenick zu wagen.
Datum: 22. Januar 2020 Text: Julia Brodauf Bild: imago images/Jürgen Ritter