Senat präsentiert erste Ergebnisse der Begehung der Unfallstelle.
Das Kottbusser Tor ist bekannt als gefährlicher Ort. Nicht nur Drogenhandel und Taschendiebstahl sind an der Tagesordnung. Auch in Sachen Verkehr geht es hier turbulent und unübersichtlich zu. Und im schlimmsten Fall auch tödlich. Eine 68-jährige Radfahrerin wurde hier am Mittwoch vergangener Woche von einem Lkw übersehen und überfahren. Er wollte aus der Reichenberger Straße kommend rechts in die Skalitzer Straße abbiegen. Die Frau verstarb noch am Unfallort. Eine Mahnwache erinnert heute vor Ort an diesen tragischen Unfall. Und wirft Fragen auf: Hätte das verhindert werden können? Werden verkehrliche Maßnahmen ergriffen? Wenn ja, welche? Einen Tag nach der Kollision fand eine Vorort-Begehung statt.
Sofortige Maßnahmen
Gemeinsam mit Christian Haegele, dem Leiter der neuen Abteilung Verkehrsmanagement der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz sind Vertreter des Bezirk und der Polizei an der Unfallstelle zusammengekommen, um mögliche Sofortmaßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit zu identifizieren. Nach ersten Erkenntnissen sollen am Kottbusser Tor vorrangig die signaltechnischen Maßnahmen an den Ampelanlagen geprüft werden, zudem wird der Bezirk die bauliche Gestaltung des Radwegs prüfen. Auch für die nahegelegene Unfallstelle in der Adalbertstraße ist bereits eine erste Maßnahme identifiziert worden. Es wird beabsichtigt, dass die Verkehrslenkung Berlin auf der Adalbertstraße Tempo 30 anordnet. Hier war am 2. Januar ein Fußgänger nach einem Unfall mit einem Lieferfahrzeug ums Leben gekommen. Die Unfallkommission werde über die Maßnahmen an den beiden Unfallstellen weiter beraten. Darüber hinaus will sich die Senatsverwaltung auch für strukturelle Verbesserungen einsetzen. Hier sei der „Berliner Bundesratsantrag für Verkehrssicherheitszonen“ genannt: Bereits im vergangenen Jahr hat das Land Berlin einen Antrag in den Bundesrat eingebracht, der derzeit im zuständigen Ausschuss beraten wird. Der Antrag sieht vor, dass Kommunen sogenannte Verkehrssicherheitszonen einrichten können. Dies würde ihnen ermöglichen, Lkw über 3,5 Tonnen, die nicht mit einem Abbiegeassistenten ausgerüstet sind, die Einfahrt in die ausgeschilderten Verkehrssicherheitszonen zu untersagen. „Dies wäre ein wirksamer Beitrag für mehr Verkehrssicherheit in den Städten“, heißt es seitens des Senats.
Zu spät
Hintergrund: In der Europäischen Union (EU) gilt für Lkw ab 3,5 Tonnen ab 2022 eine Pflicht zur Ausrüstung mit Abbiegeassistenten für neue Fahrzeugtypen, ab 2024 für neue Fahrzeuge. Dies ist nach Auffassung der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz ein zu später Zeitpunkt.
Immer mehr Unfälle
Die Frau, die am Kottbusser Tor ihr Leben ließ, war die erste durch einen Verkehrsunfall ums Leben gekommene Radfahrerin in diesem Jahr. Im vergangenen Jahr gab es in Berlin 40 Verkehrstote: 24 Fußgänger, sechs Radfahrer, sechs Autoinsassen, zwei Motorradfahrer sowie zwei Bus- oder Lastwagenfahrer. Die Zahl der Unfälle mit Radfahrern steigt in Berlin – viele davon enden mit schweren oder gar tödlichen Verletzungen. 2018 waren es 8.383 Unfälle, wie aus einer Antwort auf eine Anfrage des CDU-Abgeordneten Maik Penn im August 2019 hervorgeht. Dabei wurden elf Radler getötet, 741 schwer und weitere 4.871 leicht verletzt. Im Jahr 2017 hatte es 7.404 Unfälle mit Beteiligung von Radfahrern gegeben, dabei wurden neun Radler getötet, 623 schwer und 4.344 leicht verletzt.
Datum: 17. Januar 2020, Text: Sara Klinke, Bild: Stefan Bartylla