Monika Herrmanns gefühlte Unsicherheit irritiert, ist aber menschlich.
Für viele ist der Görlitzer Park so etwas wie der BER in Sachen Sicherheit. Seit Jahren versuchen Polizei und Innenverwaltung, den Drogen- und Kriminalitätssumpf im Herzen Kreuzbergs trockenzulegen. Offenbar ohne nennenswerten Erfolg. Die Dealer ziehen weiter oder sind immer noch da. Monika Herrmann, Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg und damit zumindest politisch für den „Görli“ zuständig, zog kürzlich Spott und Wut auf sich, weil sie erklärte, sie würde keinen Park in Berlin , also auch nicht den Görlitzer Park, nach Einbruch der Dunkelheit betreten. Das sei ihr als Frau zu gefährlich.
Das klang nach einer Kapitulation. Vielleicht entsprang die Äußerung der 55-Jährigen einfach nur ihrem persönlichen Empfinden? Ganz abseits von Parkläufern, Parkmanagern und anderen Projekten, die hiesige Grünanlagen sicherer machen sollen? Haben nicht auch Politiker ein Recht auf Angst, weil es menschlich ist? Wichtiger ist, dass Furcht nicht das politische Handeln dominiert.
Härteres Vorgehen
Es wäre interessant zu wissen, wie all die anderen, die sich immer wieder zum „Görli“ öffentlich erklären, es persönlich mit der, wie oft suggeriert wird, gefährlichsten Grünanlage Berlins, wenn nicht gar Deutschlands, halten. Unabhängig davon, ob sie, so wie Herrmann, einer Toleranz gegenüber Dealern das Wort reden oder flächendeckend Polizisten postieren wollen.
Auch ich, der weder der einen noch der anderen Seite zuneigt, muss mich hinterfragen. Vor fünf Jahren lief ich zum ersten Mal nachts allein durch den Görlitzer Park. Mein Gedanke dabei: Bloß nicht irgendwelchen Dealern oder Dieben in die Arme laufen. Schon damals forderte vor allem die CDU ein härteres Vorgehen der Polizei gegen Kriminelle. Und schon damals wurde Herrmann Totalversagen vorgeworfen, auch wenn der Bezirk keine eigenen Polizisten hat.
Mulmiges Gefühl
Die Debatte hatte auch mich beeinflusst. Auch ich spürte in diesem Moment eine diffuse Angst. So wählte ich eine möglichst kurze Route durch den Grüngürtel am Rand und stand endlich am Landwehrkanal. Geschafft! Aber auch alles richtig gemacht? Auf dem schmalen Pfad rund um den Tümpel und am Kanalufer, also abseits des unmittelbaren Drogen-Hotspots, war es zappenduster und einsam. Hätte mich dort jemand überfallen, hätte niemand etwas davon mitbekommen.
Auf den gut ausgeleuchteten Wegen im Zentrum waren hingegen Menschen zu sehen, sicherlich haben einige von ihnen Drogen verkauft und Leute angequatscht. Und doch wirkte diese Szenerie viel harmloser als mein Sprint durch die Finsternis. Zahllose Male habe ich den Park seitdem nachts auf der Hauptroute durchquert, ohne dumm angemacht oder bedroht zu werden. Vielleicht, weil ich ein Mann bin? Oder weil ich nicht sturzbetrunken und damit wehrlos war? Oder hatte ich einfach nur Glück? Die Zahl der schweren Körperverletzungen ist in den ersten vier Monaten dieses Jahres um 50 Prozent gestiegen. Aber gibt es nicht auch woanders, etwa auf dem Alexanderplatz, viele Diebstähle und Überfälle?
Jeder hat das Recht, zu entscheiden, wo er sich sicher oder unsicher fühlt. Und deswegen werde ich mich auch künftig, womöglich mit einem mulmigen Gefühl, nachts im „Görli“ bewegen. Ganz sicher!
Datum: 4. Oktober 2019. Text: Nils Michaelis. Bild: Getty Images Plus/iStock/Terroa