Banker

Wie ein Holländer in Köpenick Batterie-Fabrikant wurde

Jan Ijspeert kann sich noch sehr genau daran erinnern, als er das erste Mal nach Oberschöneweide kam und die Wilhelminenhofstraße hinabfuhr: verlassene Großbetriebe, Ramschläden und farblose Wohnhäuser mit bröckelnden Fassaden. Es war im Sommer 2005. Seit der holländische Banker den Fall der Mauer in seinem Haus bei Amsterdam am Fernsehgerät verfolgt hatte, waren damals schon 16 Jahre vergangen. Er sei erschrocken gewesen, sagt Ijspeert. „Es sah noch immer so aus wie ich mir die DDR und Ost-Berlin vorgestellt hatte.“ Der Besucher aus dem Ausland hatte mehr erwartet. Ein Blühen, „wenigstens ein bisschen“.

Lange Tradition

Ijspeert sitzt in Jeans und leichtem Sommerhemd in seinem Büro im Obergeschoss einer Gründerzeitvilla am Ende der Wilhelminenhofstraße. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite wuchs vor mehr als 120 Jahren AEG zu einem der größten Elektrokonzerne der Welt heran. Hinter der Villa wurden damals wie heute Batterien gefertigt. BAE Batterien steht am Fabriktor, hinter dem Ijspeert der Chef ist. „Uns gibt es immer noch“, sagt er. Die Fabrik hat Tradition. Varta wurde genau an diesem Ort gegründet und ist die Keimzelle von BAE. Es gibt Fotos aus dem Jahr 1925, die eine Fließbandfertigung zeigen. Es soll die erste in Deutschland gewesen sein.

Gutes Geschäft

Bis zur Wende war dies die volkseigene Berliner Akkumulatoren- und Elementefabrik (BAE) mit zuletzt rund 400 Beschäftigten. Danach wurde ein Neuanfang in der Marktwirtschaft versucht. Die Varta AG etwa gestattete eine Lizenzproduktion, die allerdings mehr kostete als sie einbrachte. 2005 folgte die Pleite. Als seinerzeit der damals 42-jährige Anlageberater Jan Ijspeert davon hört, wittert er ein gutes Geschäft und empfiehlt Kunden einzusteigen.

Jährlich acht bis zehn Prozent Rendite stellt er in Aussicht und bringt so tatsächlich elf Millionen Euro auf, um den Ost-Berliner Betrieb zu übernehmen und wieder lebensfähig zu machen. Die Leute hätten Geld gegeben, ohne den Betrieb je gesehen zu haben, erinnert sich Ijspeert. „Sie haben mir vertraut“, sagt er. Doch zwei Jahre später steht das Unternehmen erneut vor der Insolvenz. Der Geschäftsführer erwies sich als Verwalter, nicht als Unternehmer. Die Millionen waren futsch.

Wichtiger Beweis

Dass mit der Pleite des Betriebs in Oberschöneweide weit über 200 Menschen ihren Job verlieren würden, ist für Ijspeert zu diesem Zeitpunkt nebensächlich. „Es ging um ein Geschäft und mein Wort gegenüber den Investoren, die ich teils sehr lange kannte“, sagt er heute. Seinerzeit überzeugt er sie, weitere drei Millionen Euro zu investieren, schließt sein Büro in Holland und geht nach Berlin, um bei BAE die Geschäfte zu übernehmen. „Ich wollte beweisen, dass die Batterie-Fabrik eine lohnende Investition ist.“ Tatsächlich holt Ijspeert die Produktion schnell aus den roten Zahlen. BAE verdient mit jedem Akku. Der Holländer ist stolz darauf, und langsam beginnt die Fabrik im Osten mehr zu sein als ein Anlagemodell. Dass BAE auch bleibt, davon ist der Chef überzeugt.

Bleiakkus seien zu 98 Prozent recycelbar und unschlagbar, wo Größe und Gewicht keine Rolle spielen und Langlebigkeit wichtig ist. So sichern die Energiespeicher aus Oberschöneweide beispielsweise die unterbrechungsfreie Stromversorgung der Datenserver im Brüsseler Nato-Hauptquartier, der Royal Bank of Canada oder Kraftwerke in den USA.2018 setzte BAE rund 34 Millionen Euro um. Exportanteil: 80 Prozent. Fünf Millionen Euro werden in diesem Jahr in die Fertigung investiert. Ein gutes Jahr.

Datum: 3. Oktober 2019 Text: Jochen Knoblach Foto: Andreas Klug