Internationales Festival „Theater der Dinge“ in der Schaubude
28 Jahre lang stand die Mauer, noch länger steht sie nicht mehr. Mit der Wende wurde das Land DDR radikal überschrieben, Treuhand und Massenentlassungen waren die Geburtshelfer der neuen Bundesländer als „blühende Landschaften“. Dies ist der Hintergrund des Stückes „Aufstand der Dinge“ des Figurentheaters Chemnitz. Regisseur Mirko Winkler und sein Team interessieren sich für die Brüche von Wende- und Nachwendezeit, die sich in die Biografien der Beteiligten einschrieben. Und genauso erging es den Dingen, welche in Chemnitz hergestellt und alltäglich genutzt wurden. Die sächsische Theatertruppe stellt sich die Fragen: Wie haben die Dinge die Wende er-lebt? Wie fühlen sie sich heute? Was muss aufgearbeitet werden?
Verlorene Zeit
Der „Aufstand der Dinge“ ist eine von 16 Produktionen, die das internationale Festival „Theater der Dinge 2018“ in der Schaubude Berlin, Greifswalder Straße 81-84, im Podewil, Klosterstraße 68, und im Weinsalon, Schreinerstraße 59, präsentiert. Zeitzeugen der Vergangenheit – Hinterlassenschaften, Fundstücke, Gegenstände aus Sammlungen und Archiven – erzählen „von der verlorenen Zeit“. Künstler aus Belgien, Frankreich, den Niederlanden, dem Iran, aus Israel, Katalonien, Mexiko, Polen, Russland, der Schweiz, Spanien, Tschechien und Deutschland erklären die Mechanismen des Erinnerns.
Dabei hinterfragen sie, wie geschichtliche Narrative konstruiert und für Identitätspolitiken eingesetzt werden und erzählen außergewöhnliche Geschichten, die ohne die materiellen Artefakte vielleicht verloren gegangen oder in Vergessenheit geraten wären. Für das Festivalprojekt „Tagebuch zwischen den Zeilen“, mit dem das Festival am 9. November, 16 Uhr zugleich auch eröffnet wird, hat die spanische Agentur der Objektdetektive „El Solar“ zehn Wochen in Berlin Interviews geführt, Flohmärkte durchstöbert, Objekte und Geschichten gesammelt. Die Historie der Stadt aus Sicht der Dinge erzählen sie im Weinsalon.
Literarische Vorlagen
Ebenfalls vom Flohmarkt stammt das Fotoalbum, das die französische Gruppe „La Bande Passante“ gefunden hat: In „PapierLeben“ nimmt sie das Publikum mit auf einen Road Movie, in dessen Verlauf die abgebildete Unbekannte immer vertrauter wird. Von literarischen Vorlagen geht das russische Theater Karlsson Haus sowie die junge Schweizer Gruppe Infinite Cooperation aus: Einmal ist es Hans Christian Andersens Märchen vom hässlichen Entlein, das zur Biografie eines Heranwachsenden wird, einmal wird auf Basis von Swetlana Alexijewitschs Reportage die Tschernobyl-Katastrophe beleuchtet.
Weitere Schlaglichter des Festivals: Die deutsch-israelische Produktion „Staub“ sucht nach dem heutigen Bezug zum Holocaust, das Ensemble Materialtheater rettet „Don Quijote“, und Atelier Bildraum aus Belgien friert mit Miniaturmodellen die Zeit ein. Informationen zum internationalen Festival, zu Programm, Tickets, Preisen und Zeiten gibt es online.
Datum: 2. November 2018 Text: M. Wolf Bild: Anton Ivanow