Steigende Mieten trotz Maßnahme des Millieuschutzes
Kein anderer Bezirk macht so häufig vom Vorkaufsrecht Gebrauch wie Friedrichshain-Kreuzberg, doch damit gibt es ein Problem: Als Werkzeug zur Begrenzung der Mieten-Explosion stößt es längst an seine Grenzen, denn die Mieten Betroffener steigen trotzdem deutlich an.
Eine Sprecherin der Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land hatte kürzlich bei einem Pressegespräch erwähnt, dass ihr Unternehmen Vorkaufsrechtsfälle mangels Wirtschaftlichkeit immer wieder ablehnen müsse. Das trifft auch die anderen Gesellschaften. Um trotzdem kaufen zu können, erhalten sie zum Teil Ausnahmen von der Mietenbegrenzung auf zwei Prozent pro Jahr. Diese ist in einer Kooperationsvereinbarung mit dem Senat festgelegt.
Die Auswirkungen zeigt ein Beispiel aus der Zossener Straße, übernommen von der WBM: Einige Mieten steigen dort um drei Prozent pro Jahr, andere um 15 Prozent. Sechs Mal hat es solche Ausnahmen schon gegeben – bei 26 Vorkaufsfällen (Stand: Anfang September). Mit dem Schutz vor steigenden Mieten ist es damit vorbei.
Das Problem ist die Masse
Beim BBU Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V. sieht man die Zunahme an Vorkaufsrechtsfällen unter den gegebenen Bedingungen kritisch: „Wie viele Objekte kann und will die öffentliche Hand angesichts der weiter drastisch anziehenden Preise kaufen? Wie soll das finanziert werden, wenn die Mieten diese Kaufpreise nicht abbilden können?“, so der Leiter des Bereichs Wohnungswirtschaft und -politik, Mario Hilgenfeld.
Mit zunehmenden Fallzahlen und ständig steigenden Verkehrswerten werde die Lage schwieriger und die Ausnahme von den gedeckelten Mieterhöhungen gemäß Kooperationsvereinbarung wirtschaftlich immer bedeutender.
Das Land hätte durchaus Möglichkeiten, die Wohnungsbaugesellschaften beim Vorkauf stärker zu unterstützen. Im aktuellen Doppelhaushalt Berlins sind 90 Millionen Euro dafür vorgesehen, von denen derzeit noch 70 Millionen übrig sind, so Iris Spranger, Sprecherin für Bauen, Wohnen und Mieten der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Aus ihrer Sicht ist das größte Problem, dass Immobilien deutlich über dem Verkehrswert angeboten würden.
Gewinnziel sollte abgeschafft werden.
Die Linken-Abgeordnete Gaby Gottwald glaubt, dass die Wohnungsbaugesellschaften von der Vorgabe, Rendite machen zu müssen, befreit werden sollten. Dazu würden Gespräche mit dem Finanzsenator laufen, sagte sie dem Berliner Abendblatt. Darüber hinaus plädiert sie, wie Iris Spranger, für die Anwendung des „limitierten Verfahrens“: Bei einem Kaufpreis erheblich über dem Verkehrswert müsste das Land nur den Verkehrswert zahlen. Generell sehen Gottwald und Spranger das Vorkaufsrecht nicht gefährdet.
Kritischer sieht man das in der Opposition. Natürlich müsse dafür gesorgt werden, dass auch im Innenstadtbereich bezahlbare Wohnungen zu finden sind, so Christian Gräff, bau- und wohnungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. In Einzelfällen das Vorkaufsrecht zu nutzen, sei in Ordnung. Doch habe eine Anfrage im Abgeordnetenhaus ergeben, dass eine Wohnung im Rahmen dieses Verfahrens durchschnittlich 160.000 Euro koste. „Wirtschaftlich ist das natürlich Unsinn“, so Gräff. Er glaubt, dass man effektiver Druck vom Wohnungsmarkt nehmen würde, wenn mehr Neubau ermöglicht wird.
Der Baustadtrat schweigt
Mario Hilgenfeld vom BBU empfiehlt einen gezielteren Einsatz des Vorkaufsrechts und eine Bündelung von Zuständigkeiten für den Milieuschutz beim Land, denn in den Bezirken gebe es kein einheitliches Vorgehen. Es müssten ferner schlanke Entscheidungsprozesse dafür gefunden werden, ob und unter welchen Umständen ein Vorkauf stattfinden könne. Nicht zuletzt erinnert er aber auch daran, welche Grenzen das Vorkaufsrecht hat: „Es kann Mieter vor Spekulanten und vor Rechtsbrüchen schützen“, stellt er klar. „Aber nicht vor Mieterhöhungen.“
Eine Einschätzung der Situation durch Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) haben wir mehrfach angefragt, aber auch nach acht Wochen nicht erhalten.
28.9. 2018, Text: Oliver Schlappat, Bild: Thinkstock/iStock/knapjames