Tiny Town Urania-Festival zeigt Leben auf kleinstem Raum und bietet Workshops.
Vor der Urania ist binnen kürzester Zeit ein kleines Dorf gewachsen. Ein Dorf aus Mini-Häusern, um die zehn Quadratmeter „groß“, die vielleicht eine von mehreren Lösungen für die Wohnungsnot insbesondere in Großstädten sein können, vielleicht aber auch nur zu neuen Denkansätzen in der Wohnungsbauplanung führen könnten. Bis Anfang September können sich Neugierige beim „Tiny House Festival“ die kleine Siedlung anschauen, in Workshops mehr über alternative Wohnformen erfahren und sogar beim Bau einer solchen Unterkunft mitwirken.
Alles drin
Hinter den Mini-Wohnungen steckt eine noch relativ junge Bewegung, die nicht zuletzt auf die finanziellen Zwänge in den Großstädten der Welt reagiert, aber auch Aspekte wie Nachhaltigkeit und bewusste Selbsteinschränkung, das sogenannte „Downsizing“ in Betracht zieht. Die Tiny Houses beim Festival heißen 100-Euro Wohnung, Tiny Temple und New Work Studio, sehen aus wie Mini-Ausgaben herrschaftlicher Gründerzeitbauten, des Brandenburger Tors oder des Bauhaus-Archivs. Innen findet sich alles, was eine Wohnung braucht: Wohn- und Schlafebene, Küche, Bad, auf sehr raffinierte Weise auf kleinstem Raum untergebracht. An Bauwagen á la Peter Lustig erinnern diese kleinen Häuser höchstens noch dadurch, dass sie rein rechtlich gesehen Anhänger mit Aufbauten sind, die im Straßenverkehr bewegt werden können und dürfen.
Viel Festival-Programm
Ergänzt wird das Dorf durch einen Food Truck und Kaffeestände. Das Berliner Aushängeschild der Bewegung ist die „Tiny House University“ um Architekt und Kurator Van Bo Le-Mentzel, das auch für das Dorf vor der Urania verantwortlich zeichnet. Der Verein aus Aktivisten, Architekten, Künstlern und Studenten hat einen Teil seiner Wurzeln auch in der Flüchtlingshilfe, weshalb Geflüchtete in Projekte wie die „Tiny Town Urania“ aktiv und gezielt mit eingebunden werden.
Die Tiny House-Aktivisten forschen mit wöchentlichen Workshop- und Vortragsformaten zu Themen wie bezahlbares Wohnen, Migration und soziale Nachbarschaft. Als Gäste angekündigt haben sich unter anderem schon Menschenrechtsaktivisten wie Shai Hoffmann (Israel Diaries, Bus der Begegnungen) und Iman Reiman vom Deutschen Muslimischen Zentrum. Zum Programm des Festivals gehören auch eine Rechtsberatung für Geflüchtete, Filmscreenings, Designkurse, eine Minibibliothek und ein Repair-Café. Gemeinsam mit Besuchern sollen Blaupausen geschaffen werden für zukunftsfähige Nachbarschaften in einer Stadt, die geprägt ist von Gentrifizierung, Migration und Verkehr. „Die Urania versteht sich als Plattform für die vielfältige Stadtgesellschaft. In der Zusammenarbeit mit der Tinyhouse University erhoffen wir uns spannende Impulse für neue Formen des bürgerschaftlichen Austauschs “, sagt Ulrich Weigand, Direktor der Urania.
Selber bauen
Wer interessiert ist, kann unter Anleitung des Tischlers Noam Goldstein auch sein eigenes Tiny House bauen. Wobei das selbst bauen hier im Mittelpunkt stehen soll. So lautet auch der Schwerpunkt des Festivals: Offene Werkstatt für eine offene Gesellschaft. „Vor dem Akkuschrauber sind alle Menschen gleich“, sagt Van Bo Le-Mentzel, der selbst auch verschiedene Kurse in der Tiny Town Urania anbietet. „Doch ohne einen starken Partner können wir kein Tiny House-Dorf bauen“, ergänzt er. Denn drei Dinge bringen die Tiny Houses nicht selbst mit: Wärme, Wasser und W-Lan. Beim Festival bietet dies der Kultur- und Bildungsverein Urania.
30.07.2018, Te4xt: Redaktion/Bild:Tiny House University/Van Bo Le-Menztel