Hakenfelde, Siemensstadt und Haselhorst gehen leer aus.
Nicht ohne Stolz verweisen Bezirkspolitiker immer wieder darauf, dass Spandaus Bevölkerungskurve ganz klar nach oben zeigt. Die medizinische Infrastruktur hinkt jedoch um einiges hinterher. Das gilt besonders für Kinder- und Jugendmediziner, wie jetzt eine Anfrage der FDP-Fraktion ans Bezirksamt ergeben hat.
Demnach verteilen sich die bezirksweit 22 Kinderärzte auf die einzelnen Regionen momentan wie folgt: Mit je fünf Kinder- und Jugendmedizinern stehen Spandau-Mitte, Gatow/Kladow und Heerstraße Nord am besten da. Drei entfallen auf das Falkenhagener Feld. In den Bereichen Brunsbütteler Damm und Wilhelmstadt sind es je zwei. Hakenfelde, Siemensstadt und Haselhorst gehen leer aus. Letzterer Befund überrascht, denn gerade für den Spandauer Nordosten sagt der Senat nicht nur angesichts großer Wohnungsbauprojekte ein deutliches Bevölkerungswachstum in den kommenden Jahren voraus.
Zahlreiche Beschwerden
„In den Bereichen Hakenfelde, Haselhorst und Siemensstadt gibt es definitiv zu wenig Kinderärzte“, sagt Matthias Unger, der Vorsitzende der FDP-Fraktion in der Spandauer Bezirksverordnetenversammlung. „Dies hat Jugendstadtrat Stephan Machulik bereits im Jahr 2016 festgestellt. Wir fragen uns: Was hat der Stadtrat seit dem unternommen? 22 Kinderärzte sind für einen Bezirk, der bis zum Jahr 2025 um rund. 35.000 Einwohner wachsen wird, deutlich zu wenig.“ Spandau habe derzeit die drittniedrigste Versorgungsdichte in diesem Bereich. „Und wir gehen auch davon aus, dass es wohl auch schon zu zahlreichen Beschwerde von Eltern gekommen sein muss, was man uns als FDP jedoch bisher allerdings noch nicht offiziell mitgeteilt hat.“ Der Bezirk müsse deutlich mehr tun und mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) ein Programm auf den Weg bringen, das die Versorgung auch in Zukunft gewährleistet und deutlich mehr Kinderärzte nach Spandau ziehen lässt. Unger sieht im Bezirk einen Mehrbedarf von zwölf Kinderärzten. „In den Pepitahöfen und in der Wasserstadt entstehen rund 2.500 Wohnungen, dort müssen Arztpraxen unbedingt zur künftigen Infrastruktur gehören.“
Privatpatienten locken
Mit dem Fachärztemangel ist Spandau nicht allein. Andere Bezirke, die ebenfalls in weiten Teilen von einer sozial benachteiligten Bewohnerschaft oder der Lage am Stadtrand geprägt sind, verfügen ebenfalls über einen Mangel in verschiedenen Sparten. Darunter sind Neukölln und Treptow-Köpenick. Fachärzte lassen sich bevorzugt in Kiezen nieder, wo mit einem höheren Anteil von Privatpatienten und damit auch mit höheren Einnahmen rechnen. Daher lässt sich – im Vergleich – in Charlottenburg-Wilmersdorf und Steglitz-Zehlendorf von einem Überangebot sprechen. Möglich wird dies, weil die Kassenärztliche Vereinigung das gesamte Berliner Stadtgebiet bei Ärzten als eine einzige Versorgungsregion führt. Mediziner können selbst entscheiden, in welchem Teil sie eine Praxis eröffnen. Bezirks- und Landespolitiker fordern immer wieder, mehrere Versorgungsregionen einzuführen, damit sich Ärzte und Fachärzte gleichmäßig verteilen. Gespräche zwischen Politik und KV brachten bislang kein Ergebnis. Laut einer Umfrage des Deutschen Kinderhilfswerks beklagen 31 Prozent der Familien in deutschen Großstädten einen Mangel an Kinderärzten in ihrer Nähe.
Datum: 21. Juli 2018, Text: Nils Michaelis, Bild: Thinkstock/iStock/SeventyFour