Bündnis und Senat wollen die Tram zurück in den Westen holen.
Mit der Straßenbahn über die Kantstraße? Im Westen Berlins fuhren Anfang des 20. Jahrhunderts die ersten Straßenbahnen, nun könnten die gelben Trams hierher zurückkehren. Zumindest, wenn es nach dem Bündnis Pro Straßenbahn ginge. Der Zusammenschluss von mehr als 20 Organisationen will bis 2050 zahlreiche neue Tramstrecken, vor allem im Westen, anlegen. Zum Bündnis gehören unter anderem die SPD, Linke, Grüne, die Verbände Bund Berlin, NaturFreunde Berlin sowie der Automobilclub ACE und der Verkehrsclub VCD-Nordost.
Mobiler Westen
Fast zeitgleich stellte das Center Nahverkehr im Auftrag des Senats seinen Vorschlag für ein neues Tram-Netz, den Entwurf eines Bedarfsplans für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), vor. Laut diesem soll es bis 2035 einige neue Strecken in Charlottenburg-Wilmersdorf, Spandau und Steglitz geben. Darin sind sich beide Entwürfe einig. Zur Ermittlung der Strecken wurde zuvor der Busverkehr analysiert. Die Linien, die besonders überlastet sind, könnten künftig durch Straßenbahnen ersetzt oder ergänzt werden. Auf rund 235 neuen Kilometern könnte es dann von Tiergarten über Charlottenburg nach Spandau gehen. Eine Linie würde, nach ÖPNV-Bedarfsplan, vom Hauptbahnhof über den Bahnhof Jungfernheide bis zum Rathaus Spandau führen.
Mehr Straßenbahnen
Das Bündnis Pro Straßenbahn sehe es zudem gerne, wenn die Kantstraße wieder eine Tramlinie erhalten würde. Sie befürworten zwar die Pläne des Senats, diese gehen ihnen aber nicht weit genug. Vor allem die Vorstöße der Senatsverkehrsverwaltung neue U-Bahnstrecken zu bauen, stößt auf Kritik. Unter anderem soll die U6 zum heutigen Flughafen Tegel führen, der bis dahin in ein modernes Club- und Kulturareal, das sogenannte „Urban Tech Republic“, umgewandelt werden soll. „Gerade die Erschließung der neuen „Urban Tech Republik TXL“, und des Märkischen Viertels sollte schnellstmöglich durch eine Straßenlinie umgesetzt werden. Im Märkischen Viertel ist die Verlängerung der Straßenbahn M1 schnell und mit niedrigem Kostenaufwand umsetzbar. Planungen von U-Bahn-Linien in den Außenbezirken sind nicht sinnvoll. Hier muss der Ausbau der Straßenbahn erfolgen. Ziel muss die Schaffung eines flächendeckenden Straßenbahnnetzes in Berlin sein“, erklärt der stellvertretende Vorsitzende der NaturFreunde Berlin, Uwe Hiksch. Derzeit prüft der Senat noch, ob eine Verlängerung überhaupt wirtschaftlich und technisch möglich ist.
Verkehr entlasten
Für das Bündnis machen Verlängerungen der U-Bahn keinen Sinn. Mit den Straßenbahnen ließen sich viel mehr Gebiete erschließen. Auch eine Verbindung von Charlottenburg-Wilmersdorf zum Flughafen Schönefeld wäre möglich. Die neuen Straßenbahnlinien sollen den Verkehr entlasten und lebenswerte Stadträume schaffen. Seit rund 50 Jahren ist der Bezirk straßenbahnlos. Am 2. Oktober 1967 fuhr die vorerst letzte Straßenbahn durch diesen Teil Berlins. Die einzige westliche Trasse führt seit den 90ern aus Ost-Berlin zum Weddinger Rudolf-Virchow-Klinikum.
Datum: 2. Juni 2018, Text: Katja Reichgardt, Bild: imago/Jürgen Heinrich