Neubau in der Region kann auch Leben in der Stadt verändern
Es ist schon fast sprichwörtlich: Wenn Anfang April die Störche in den Nestern am Malchower Naturschutzhof landen, dann ist auch der Frühling endlich in Berlin angekommen. Den werden die Berliner wohl auch in den kommenden Jahren noch begrüßen können – ob es dann aber noch in Malchow Störche geben wird, scheint hingegen äußerst fraglich.
Neue Siedlungen
Bis zu 10.000 Wohnungen sollen nämlich auf vorwiegend landwirtschaftlich genutzten Flächen von neunzig Hektar zwischen den Ortsteilen Blankenburg und Heinersdorf entstehen. Die Wiesen und Ackerflächen hier sind für die Störche besonders wichtig. Dort finden sie ihre Nahrung – Mäuse, Frösche und Insekten. Jedes Brutpaar nutzt eine Fläche von mindestens zwei bis drei Kilometern rund um den Neststandort auf dem Naturschutzhof Malchow. Mit dem Bau der neuen Stadtteile gilt es schon jetzt als sicher, dass das Nahrungsangebot für die Störche wohl nicht mehr ausreichen wird und die letzten Berliner Adebare sich einen neuen Sommersitz suchen müssen. Eine Flucht, auf der ihnen viele andere tierische Bewohner der Region folgen werden. Schließlich bieten die Kleingartenanlagen, Alleen und Randstreifen in dieser Region ihnen die nötige Nahrungsvielfalt. Mit der Bebauung, Verdichtung und Versiegelung dieses grünen Stadtrandgebietes wird deren Lebensraum wohl für immer vernichten.
Kaum Regulierung
„Der Wohnungsbau scheint notwendig zu sein“, räumt Beate Kitzmann, die Leiterin der Naturschutzstation in Malchow, ein. Für sie sei es jedoch besonders überraschend, dass bei allen Planungen wenig Regulierung durch die öffentliche Verwaltung stattfinde. „An fast jeder freien Stelle schießen Wohnbauprojekte aus dem Boden. Leider gewinne ich den Eindruck, dass man über das Ziel hinausschießt und einer Entwicklung entgegen geht, die in einigen Jahren wieder zu Wohnungsüberschuss und in der Folge wieder zu Abriss führt“, sagt sie. Grundsätzlich teile sie die Entwicklungsprognose für die Berliner Bevölkerung nicht.
Fehleinschätzung möglich.
„Bereits kurz nach der Wende haben Statistiker schon einmal über Bevölkerungszahlen um die acht Millionen orakelt“, erinnert die promovierte Biologin, die vom Naturhof Malchow gemeinsam mit vielen Experten-Teams in den vergangenen Jahren wichtige Naturschutzprojekte in der Region initiiert und begleitet hat. Sie weiß auch, dass großflächige Neubauflächen am Stadtrand klimatische Einschnitte auch in das Leben der Berliner Bevölkerung haben werden. „Gerade landwirtschaftliche Flächen wie die im Blankenburger Süden sind Freiflächen, auf denen nachts kalte Luft entsteht, die dann durch die Thermik in die überhitzte Innenstadt zieht. Um eine Metropole lebenswert erhalten zu können, darf eine kritische Grenze an Grün- und Freiraum nicht unterschritten werden, sonst wird auch die Innenstadt nicht mehr lebenswert und nur noch als Arbeitsort nutzbar sein“, sagt Kitzmann und verweist auf Beispiele in Großstadtregionen in den USA. Dort habe eine ganz ähnliche Entwicklung dazu geführt, dass eine große Mehrheit von Bürgern an den „neuen“ Stadtrand gezogen ist und die Innenstadt „verwaist“ hinterließ.
Aus Fehlern lernen
„Wir sollten aus diesen Beobachtungen lernen und nicht die gleichen Fehler machen“, warnt sie und schlägt für den Blankenburger Süden eine Bebauung lediglich auf den bis jetzt bereits versiegelten Flächen vor. „Da wäre immerhin auch Platz für ungefähr knapp 1.000 Wohnungen“, so ihre Schätzung.
Text: Stefan Bartylla, Foto: Thinkstock/istock/hatipoglu