Initiator Van Bo Le-Mentzel zieht Fazit und freut sich auf neue Aufgaben.

Ein Jahr lang entwickelten Berliner Architekten, Wissenschaftler, Künstler und Geflüchtete unter dem Namen Tiny House University auf der Freifläche hinter dem Museum des Bauhaus-Archivs gemeinsam ein künstlerisches Sozialexperiment. 13 Holzhäuser, jedes nicht größer als zehn Quadratmeter, wurden entworfen, gebaut und als Forschungsort und Wohnraum genutzt. Gerechtere Formen des Miteinanders in einer Einwanderungsgesellschaft und eine nachhaltigere Nutzung von Ressourcen standen im Vordergrund. Damit ist die Tiny House-Bewegung mit ihrem kompakten, mobilen und nachhaltigem Konzept das Gegenteil zu stetig steigenden Wohnungspreisen und der damit verbundenen Wohnungsnot. Im März ist der Kunstprojektzeitraum abgelaufen, einige Tiny Houses werden nach Wittenberg auf das Gelände der Cranach-Stiftung verlagert.

Mobile Fabriken

„Wohnen darf kein Markt sein, Wohnen ist ein Grundrecht“, sagt der Berliner Architekt und Gründer Van Bo Le-Mentzel. Er beklagt die massive Wohnungsnot und die teils mangelhafte Nutzung des öffentlichen Raums. „Es könnte so einfach sein“, sagt auch Katharina Stahlhofen, die zur achtköpfigen Gruppe des Kreativ-Kollektivs gehört. Im Durchschnitt 50.000 Euro kostete der Bau der bislang in der Klingelhöferstraße 14 ausgestellten Häuser, die teilweise von der Ikea-Stiftung subventioniert wurden. „Es soll kein Billigprodukt sein“, sagt Le-Mentzel. Natürlich geht es noch günstiger – auch ohne massive Qualitätsverluste. Ziel ist es, mobile Fabriken zu gründen, die interessierten Laien für 10.000 Euro die Möglichkeit geben, in zwei Wochen ihr eigenes Haus zu bauen.

Primäre Ziele

Jedes Haus, das ist die Regel, muss einen Schlafplatz besitzen, um jederzeit eine bedürftige Person beherbergen zu können. Eine Wohnung wird das Tiny House bislang allerdings nicht ersetzen können. Weil die kleinen Häuser unter die Straßenverkehrsordnung und nicht unter das Baurecht fallen, ist es unmöglich, auf diese Weise einen Wohnsitz anzumelden. Die Tiny House- Bewegung wird die brisante Wohnungssituation also nicht lösen können. Das ist aber auch nicht Le-Mentzels primäres Ziel. „Wir sollten weniger wohnen und mehr leben“, sagt er. „Wenn du gerne tanzt, dann ist dein Tiny House eine Disko, wenn du gerne Pizza isst, eine Pizzabäckerei.“ Er wünscht sich, dass die Menschen wieder zu sich selbst zurückfinden. Es sei falsch anzunehmen, sich nur durch Konsum selbstverwirklichen zu können. Räumlicher Minimalismus würde bei dieser Erkenntnis helfen. Außerdem sei das ein Schritt in Richtung mehr Gemeinschaft und Fairness. „Wir wollen auch weniger privilegierte Menschen einbeziehen“, so Le-Mentzel.

Neue Projekte

Tiny Houses als Antwort auf eine kapitalistische Ausgrenzung bestimmter Gesellschaftsgruppen? Vielleicht. Trotzdem sei es nicht der richtige Weg, arme Menschen TinyHouses bauen zu lassen, während Reiche in ihren Villen hausen. „Ich arbeite darauf hin, dass die Menschen so wohnen können, wie sie möchten.“

Nächstes Projekt des Architekten wird die Konstruktion der schmalsten Wohnung der Welt sein: Ein 20 Zentimeter breiter Flur im Wittenberger Cranach-Haus soll als Transformationsort herhalten. „Das Unmögliche hat mich angespornt. Es gibt überall ungenutzte Ressourcen.“ Für den 40-Jährigen ist die Vision des erschwinglichen Wohnraums für alle keine Gesellschaftsutopie, sondern Zukunft. Die Tiny Houses, denkt er, werden schon in zehn Jahren etwas ganz Normales sein.

Text und Bilder: Christina Lopinski