Soziales: Initiativen kritisieren die Bundesregierung.
Mit den sinkenden Temperaturen startet in Berlin wieder die Kältehilfe für obdachlose Menschen. Jedes Jahr im November nimmt ein breit verzweigtes Netzwerk aus Notunterkünften und Nachtcafés seine Arbeit auf. Bis Ende März bieten sie Obdachlosen einen warmen Schlafplatz für die Nacht, Essen und Verpflegung an. Organisiert wird das Ganze von der Caritas, der Berliner Stadtmission, der Diakonie, Kirchengemeinden und dem Deutschen Roten Kreuz. Viele der Berliner Obdachlosen nutzen das Angebot und flüchten für eine oder mehrere Nächte in die warmen Unterkünfte. Und davon soll es in diesem Jahr mehr als jemals zuvor geben. Zwar startet das Wohlfahrtsprojekt mit nur 690 Plätzen (knapp 240 weniger als im Vorjahr), die sollen aber Ende des Jahres auf 1.000 Plätze aufgestockt werden. Ob diese Zahl reicht, um die obdachlosen Menschen in Berlin zu versorgen, ist fraglich. Immerhin gehen aktuelle Schätzungen von 40.000 Wohnungslosen aus, von denen 5.000 dauerhaft auf der Straße leben. Auch die Verantwortlichen sehen die steigenden Obdachlosenzahlen mit Besorgnis und fürchten eine Überforderung der Kältehilfe.
Notlösung
Die Direktorin des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Barbara Eschen, warnt davor, in der Kältehilfe mehr als eine Übergangshilfe zu sehen. Zwar fänden Obdachlose hier die nächsten fünf Monate ein Dach über dem Kopf und warmes Essen, anschließend geht ihr Leben aber dennoch auf der Straße weiter. „Die Kältehilfe darf kein Ausfallbürge für eine nicht ausreichend funktionierende Wohnungslosenhilfe sein. In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Kältehilfeplätze verdreifacht. So kann es nicht weiter gehen. Die Kältehilfe ist eine reine Überlebenshilfe für Menschen, die vom regulären Hilfesystem nicht erfasst werden. Wir brauchen Unterbringungsmöglichkeiten mit angemessenem Standard und sozialer Beratung. Wir brauchen Wohnungen statt Unterkünfte“, so Barbara Eschen.
Kältehilfe-App
Neben den Notunterkünften werden auch in diesem Jahr wieder Kältebusse der Berliner Stadtmission unterwegs sein, um Obdachlose mit warmem Essen und Kleidung zu versorgen. Der DRK-Wärmebus verteilt zudem Schlafsäcke und Winterkleidung in ganz Berlin. Erstmals können sich Bedürftige und Helfer auch mit einer kostenlosen Kältehilfe-App über freie Plätze in der Umgebung informieren. Trotz des verstärkten Angebots kritisieren Caritas, Diakonie und Stadtmission die Bundesregierung für ihren Umgang mit Obdachlosen und fordern langfristige Lösungen, um Menschen von der Straße zu holen. Auch Caritas-Direktorin Ulrike Kostka sieht die Kältehilfe lediglich als Notsystem, um Menschen zu retten. „Sie verfügt aber nicht über fachliche und personelle Voraussetzungen, um Ursachen wie Wohnungslosigkeit zu beheben“, betont sie.
Katja Reichgardt