Mit dem neuen Senat ist der Streit ums Stadtquartier noch einmal neu entbrannt.
Seit Jahren schon trotzt die rote Infobox am S-und U-Bahnhof Pankow Wind und Wetter. Trotzig-mahnendes Symbol für ein Projekt, das immer wieder ins Straucheln kommt. Längst sind ihre Informationen von kaum noch messbarer Halbwertzeit. Während dessen dümpelt das riesige, zwischen Granitzstraße und Bahngleisen bis zum S-Bahnhof Heinersdorf reichende Gelände hinter ihr dahin.
Nichts geschieht derzeit auf der größten Brache Pankows, auf der einst das Quartier „Pankower Tor“ mit 1.000 Wohnungen, zwei Schulen, Möbelhäusern und Shopping Mall wachsen soll. Dabei waren sich Grundstücksbesitzer und Bauherr Kurt Krieger, Senat und Bezirk weitgehend einig, hatten das Vorhaben 2016 in einem städtebaulichen Vertrag fixiert – allerdings nicht unterschrieben. Das Paket war geschnürt, es hätte für Architekten und Verkehrsplaner endlich los gehen können. Doch Wahljahr damals, niemand wollte sich festlegen.
Sorgfältige Planung
Inzwischen gibt es neue Zuständigkeiten, neue Kompetenzen. Damit einher gehen erneute Diskussionen zum Wohnungsbedarf, zum Einzelhandel, zur Verkehrsplanung, zu den Schulstandorten. Zwar Stillstand nach außen, doch hinter den Kulissen brodelt es, wird heftig gerungen. Obwohl man konzeptionell einst nah beieinander war, gehen heute die Meinungen wieder weit auseinander. Kurt Krieger, der bald 70-jährige Möbeltycoon, nimmt’s gelassen. Das ficht ihn nicht an, dann dauere es eben länger, sagt er. Etliche seiner Möbelhäuser brauchten von der Planung bis zur Eröffnung auch weit mehr als ein Jahrzehnt – und dieses Großprojekt habe es allemal verdient, zuverlässig geplant und sauber realisiert zu werden.
Neue Expertise
Aber wann? – fragen nicht nur die Pankower ungeduldig. Berlin braucht dringend Wohnungen. Eigene Landesflächen dafür sind knapp. Das boomende Pankow braucht über Wohnungen hinaus auch mehr Einzelhandel, mehr Gewerbe. So ist das Krieger-Grundstück eine wunderbare Option, ein lebenswertes Stadtquartier zu gestalten. Wenn da nicht der neu entbrannte Streit wäre. Vieles ist wieder offen: Die Planung des öffentlichen Verkehrs durch das Viertel inklusive einer neuen Straßenbahnlinie neben der Granitzstraße beginnt von vorn, nachdem das damit beauftragte Büro seine Expertise zurück gezogen hatte.
Der neue Senat stellt plötzlich infrage, was der alte bereits genehmigt hatte: Ein 20.000 oder gar 30.000 Quadratmeter großes Einkaufscenter – wie Krieger und der Bezirk es wollen – sei nicht mehr zeitgemäß, 15.000 lägen im Trend und seien genug, beschied er beiden. Einig in der Sache, aber strittig im Detail: Neu verhandelt wird auch über den Standort der Sekundarschule nahe der Autobahn an der Prenzlauer Promenade – zu viel Lärm, zu viele Abgase, sagt der Senat. Unklar auch, was mit dem denkmalgeschützten Rundlokschuppen auf dem anvisierten Campus-Gelände geschehen soll.
Städtebauliches Leitbild
Praktisch alles auf Anfang. Bezirkspolitiker fordern eine politische Entscheidung, damit endlich ein Rahmenvertrag zum Großprojekt zustande kommt. Beim geplanten Einzelhandel hofft Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) auf ein Senats-Einlenken, man sei darüber im Gespräch. Für einen Teil des Geländes will er bis Jahresende ein „städtebauliches Leitbild“ entwickeln lassen: Wie soll es aussehen? Wie hoch darf gebaut werden? Wie viel Grün soll es geben? Was geschieht in Bahnhofsnähe? Doch die drängendste Frage bleibt: Wann werden Visionen real? So kann auch Vollrad Kuhn nicht sagen, wann das Bauen beginnt.
Jürgen Zweigert; Bild: Krieger