Weltkriegsbomben: Bauherren haben die Verantwortung für die Suche – Bezirke regeln Evakuierungen.
Berlin ist voll mit Artefakten der Geschichte. Leider auch mit solchen, die seit dem Zweiten Weltkrieg unter der Erde schlummern. Niemand weiß genau, wie viele nicht explodierte Bomben sich noch unter der Hauptstadt befinden. Damit alles möglichst sicher und geordnet abläuft, wenn die Geschichte wieder ans Tageslicht tritt, gibt es feste Pläne und Abläufe.
Die Statistik
Zwischen 1940 und 1945 haben die britischen und US-amerikanischen Streitkräfte etwa 45.000 Tonnen Bomben über Berlin abgeworfen. Für russische Bomben gibt es keine seriösen Schätzungen. Wie viele davon nicht explodiert sind, ist unklar. Allein im Jahr 2016 verzeichnete der Senat für Verkehr, Umwelt und Klimaschutz mehr als 27 Tonnen geräumte Kampfmittel. Darunter befanden sich sieben Bomben ab einem Gewicht von 50 Kilogramm.
Die Suche
Eine systematische Suche gibt es nicht mehr. Zwar hat Berlin Zugriff auf Luftbilder der Alliierten aus der Zeit kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Heutzutage werden diese aber nur noch zu Rate gezogen, wenn ein Grundstückseigentümer das beantragt, denn bei ihm liegt die Verantwortung für die Sicherheit. Laut Senat handelt es sich bei 95 Prozent aller Fälle um Zufallsfunde. Die meisten gab es übrigens in Mitte – weil dort am meisten gebaut wird. Generell sehen die Behörden keine besonderen Schwerpunkte für Blindgänger unter der Erde.
Das Risiko
Bomben mit mechanischen Zündern lassen sich leichter entschärfen als solche mit so genannten Säurezündern, die erst längere Zeit nach dem Einschlag detonieren sollten. Sie gelten als gefährlich bis unberechenbar, denn die Bestandteile sind heute so zerbrechlich, dass kleine Erschütterungen zur Auslösung reichen können. Generell stellen alle Arten von Bomben und Munition auch eine Gefahr für das Grundwasser dar, wenn die Chemikalien darin in den Boden sickern.
Der Ernstfall
Wenn Munition oder Bomben entdeckt werden, sollte umgehend die Polizei informiert werden. Dort wird alles weitere eingeleitet und die Kampfmittel-Experten von Polizei und LKA werden informiert. Die Entschärfung selbst übernimmt in der Regel eine Fachfirma, die im Idealfall vom Bauherrn mit der Suche und Bergung beauftragt worden ist. Wie groß der Radius einer eventuellen Evakuierung ist, hängt von den Örtlichkeiten und der Größe des Fundes ab. Bei dem Fund Anfang Oktober in Schöneberg, einer 250-Kilogramm-Bombe, waren im Umkreis von 500 Metern rund 10.000 Menschen betroffen.
Die Evakuierung
Sie wird von Polizei und Feuerwehr umgesetzt. Wie groß der Bereich ist, hängt von der Bombe und den Gegebenheiten vor Ort ab. Ausnahmslos alle Menschen müssen den Bereich verlassen. Dem Stadtbezirk kommt die Aufgabe zu, sich um jene zu kümmern, die nicht anderweitig unterkommen. „Der Bezirk geht von etwa einem Zehntel aller Evakuierten aus“, erklärt Dirk Hennings, Katastrophenschutzbeauftragter in Tempelhof-Schöneberg. Deshalb gibt es überall Orte, die ständig auf eine Notunterbringung vorbereitet sind: Turnhallen oder Schulen, zum Beispiel, in denen für solche Ereignisse auch Betten vorgehalten werden. D
ie Betreuung organisiert normalerweise das Sozialamt. Dieses Mal habe der Bezirk wichtige Verstärkung vom DRK bekommen. Kompliziert wird es, wenn sich im evakuierten Bereich ein Krankenhaus oder Seniorenheim befindet. Dann müssen Bewohner und Patienten, die auf medizinische Betreuung angewiesen sind, in ein anderes Krankenhaus gebracht werden. Die übrigen werden am gleichen Ort untergebracht, damit ihre Betreuung gewährleistet ist.
Die Entschärfung
Die Kampfmittelbeseitiger müssen anhand des Zustands der Bombe prüfen, ob sie abtransportiert werden kann, ob sie vorher entschärft werden muss oder ob sie in so schlechtem Zustand ist, dass sie vor Ort kontrolliert gesprengt werden muss. Bei der Schöneberger Entschärfung war eine Sprengung nötig, weil die Bombe ungünstig auf einem Erdhügel lag.
Die Kosten
Wer auf einem Grundstück bauen will, trägt auch die Verantwortung für die Sicherheit. Er muss klären, ob sich Bomben im Boden befinden könnten. Die Kosten für die Untersuchungen tragen die Eigentümer, Besitzer oder Bauherren. Für die Entschärfung und Bergung durch eine Fachfirma sowie den Abtransport durch Polizei und LKA kommt die öffentliche Hand auf. Das gilt auch für Kosten durch Evakuierungen. Muss gesprengt werden, können eventuelle Schäden dadurch in vielen Fällen von Versicherungen abgedeckt werden.
Oliver Schlappat, Bild: Imago/localpic