Diskussion über freiwillige Heimreise.

Ob illegale Zeltlager im Tiergarten oder campierende Zuwanderer in den Grünanlagen am Wildenbruch- und Weichselplatz: Die Frage, wie die Behörden mit der wachsenden Zahl obdachloser Migranten, vornehmlich aus Ost- und Südosteuropa verfahren sollen, sorgt derzeit für hitzige Diskussionen. Stephan von Dassel (Grüne), Bezirksbürgermeister von Mitte wurde harsch für seine Forderung kritisiert, die Zeltlagerbewohner im Tiergarten kurzerhand auszuweisen. Der Vorschlag von Dassels Parteifreundin Monika Herrmann, Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, mehr Hilfsangebote für Obdachlose zu schaffen, ging in dem Getöse fast unter. Innensenator Andreas Geisel (SPD) kündigte an, eine Taskforce einzurichten.

Auch Neuköllns Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) forderte, die Kälte- und Nothilfe auszuweiten. Für Diskussionen sorgt das von ihr ins Spiel gebrachte Angebot, den Obdachlosen im Norden Neuköllns  eine freiwillige Heimreise zu ermöglichen. Kürzlich ist hierfür eine Kooperation zwischen Bezirk und  Caritas angelaufen. Giffey hatte gegenüber dem „Tagesspiegel“ erklärt, Parks und Grünanlagen seien für die Erholung der Bürger da. Wenig später  betonte sie im ARD-Morgenmagazin, der Bezirk würde  nicht gegen Obdachlose, sondern gegen Obdachlosigkeit vorgehen. Viele der Zuwanderer hätten die Busfahrt erleichtert und dankbar angetreten.

Ohne Zuhause

Die Neuköllner Abgeordnete Susanna Kahlefeld begrüßt die vom Bezirk und vom Landesamt für Flüchtlinge finanzierten Heimreisen im Grundsatz, zweifelt aber an der Nachhaltigkeit. „Man darf  nicht vergessen, dass viele  ausgebeutete Arbeitsmigranten in ihrem Heimatland gar kein Zuhause mehr haben, wohin sie zurückkehren können“ sagt sie. „Das Problem ist die Masse an Leuten, die mit nichts in der Hand dastehen, weil deren Arbeitgeber ihre Gehälter nicht auszahlen oder sie nicht wissen, wie und wo sie Sozialleistungen oder Hilfsangebote abrufen können“,  so  die Grünen-Politikerin. Vereine wie Amaroforo oder die Taschengeldfirma stünden ihnen zur Seite.

Einheitliche Standards

Auch Jürgen Schaffranek vom Straßensozialarbeitsräger Gangway e.V. glaubt nicht an einen dauerhaften Erfolg der Bustransfers in  Richtung Osten. „Solange wir in Europa keine einheitlichen Sozialstandards haben, werden die Menschen aus ärmeren Ländern zu uns kommen, da sind Bundesregierung und EU-Kommission gefragt“, sagt er. „Viele dieser Menschen sind Wanderarbeiter und wurden aus Schrottimmobilien verdrängt. Es kann sein, dass sich manch einer über eine Fahrkarte freut. Hier vor Ort sind allerdings niedrigschwellige Angebote gefragt, um den Obdachlosen zu helfen.“

Nils Michaelis, Bild: imago/Rolf Kremming