Modellprojekt gestartet / Radexperten fordern Nachbesserungen.
n Neukölln steigen immer mehr Menschen aufs Rad. Auch deswegen kursieren seit Langem Forderungen, ihnen auf ausgewählten Strecken Vorrang einzuräumen. In der Weserstraße hat das Bezirksamt das Konzept für eine sogenannte Fahrradstraße jetzt erstmalig in die Tat umgesetzt. Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) gab am Montag den offiziellen Startschuss: zunächst für den Abschnitt zwischen Kottbusser Damm und Reuterplatz. Künftig soll die Route über Pannier- und Pflügerstraße bis zum Weigandufer fortgeführt werden. Vor zwei Jahren hatte die Bezirksverordnetenversammlung einen entsprechenden Beschluss gefasst. Bauarbeiten der Wasserbetriebe hatten die Umsetzung verzögert.
Beliebte Ausweichstrecke
Es gibt viele gute Gründe, mit dem Pilotvorhaben in der als Kneipen- und Touristenmeile bekannten Straße zu beginnen. Viele Radler nutzen die Weserstraße als Ausweichstrecke zur chronisch verstopften Sonnenallee, wenn sie in Richtung Kreuzberg unterwegs sind oder von dort kommen. Wegen des schlechten Zustands der Radwege ziehen viele Radfahrer die asphaltierte Fahrbahn vor. Dort kommen sie sich immer wieder mit Autofahrern ins Gehege. Zudem wird der Radweg häufig zugeparkt. Auf einer Fahrradstraße haben Fahrradfahrer mehr Rechte. Sie bestimmen das Tempo und dürfen auf der Straße nebeneinanderfahren. An den Vorfahrtregeln ändert sich nichts. Die Gehwege bleiben Fußgängern vorbehalten. Änderungen gibt es für Autofahrer. Um die Fahrbahnbreite nicht zu schmälern, sind sie verpflichtet, mit zwei Rädern auf dem Radweg zu parken. Demnächst wird der Bereich markiert. All das soll zudem den motorisierten Durchgangsverkehr mindern. „Durch die Fahrradstraße entfällt kein einziger Parkplatz“, versichert Giffey. „Wir haben beim Thema Radverkehr noch einiges vor.“
Rücksichtslose Autofahrer
Der Erfolg des Projekts hängt vor allem davon ab, inwiefern die Fahrradstraße wirklich mehr Sicherheit für Radfahrer bietet. In diesem Punkt gehen die Meinungen auseinander. „Dieser Schritt ist gut, aber nicht gut genug“, sagt Jan Michael Ihl vom Netzwerk Fahrradfreundliches Neukölln. „An der Einmündung in den Kottbusser Damm kommen Autofahrer den Radlern häufig rücksichtslos entgegen. Die Sichtverhältnisse sind schlecht und die Hinweisschilder viel zu klein.“ Außerdem fehlten Vorrichtungen, um die Radfahrer vom Kottbusser Damm aus in die Fahrradstraße zu lotsen. Letzteres findet auch Bernd Szczepanski, der Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Bezirksparlament. Diese hatte das Fahrradstraßen-Projekt mit einem Antrag angestoßen. Derzeit arbeiten die Neuköllner und Friedrichshain-Kreuzberger Grünen an einem Gesamtkonzept, um den Verkehr rund um den Hermannplatz sicherer zu machen.
Autor und Bild: Nils Michaelis