Anschlagswelle: Engagierte verzweifeln an den Ermittlungen der Polizei.
Eine Serie nächtlicher Attacken auf Autos und Häuser von Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus einsetzen, sorgt im Bezirk seit Monaten für Angst und Schrecken. Zuletzt traf es die Fahrzeuge der SPD-Bezirksverordneten Gabriela Gebhardt in Buckow und von Christel Jachan vom „Aktionsbündnis Rudow gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“ in der Schönefelder Straße. Von Mai 2016 bis heute hat die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus 47 rechtsmotivierte Straftaten gezählt. Das Landeskriminalamt setzte im Januar die Ermittlungsgruppe RESIN (Rechtsextremistische Straftaten in Neukölln) ein. Bei der Neuköllner Polizeidirektion 5 befasst sich eine Einsatzgruppe REX (Rechtsextremismus) mit dem Problem. Bislang wurde ein einziger Tatverdächtiger, ein ehemaliger NPD-Kandidat, ermittelt.
Täter unbehelligt
Viele Engagierte, aber auch einfache Anwohner sind verunsichert. In einem Offenen Brief an Neuköllner Mitglieder des Abgeordnetenhauses fordert die Anwohnerinitiative „Hufeisern gegen Rechts“ politische Unterstützung für den zivilgesellschaftlichen Einsatz gegen Nazis. „Dazu gehört auch, dass dieses Engagement auf rechtsstaatlichen Schutz vor kriminellen Übergriffen bauen kann. Leider können wir in dieser Hinsicht wenig Positives erkennen“, heißt es in dem Schreiben. „Laut Polizei umfasst der potenzielle Täterkreis eine Personengruppe im unteren zweistelligen Bereich, der zum großen Teil namentlich bekannt ist. Wir fragen uns, wie es sein kann, dass diese Gruppe bisher unbehelligt agieren konnte und engagierte Bürgerinnen und Bürger unseres Bezirks attackiert werden.“
Vertreter von SPD, Grünen und Linken haben die rechte Gewalt immer wieder verurteilt, es gab Kundgebungen und Aktionen, wie zuletzt die Gedenkveranstaltung für den antifaschistischen Dichter Erich Mühsam. „Ich persönlich verstehe das Bedürfnis der Betroffenen und der Bürgerinitiativen, endlich Ermittlungserfolge zu sehen“, erklärt die Britzer Abgeordnete Derya Caglar (SPD). „Solange die Täter nicht gefasst werden, müssen Demokraten in Angst leben. Susanna Kahlefeld, die den Neuköllner Norden im Landesparlament vertritt, kündigt an, den Ermittlungsstand zur rechten Gewalt in einer Anfrage an den Senat zum Thema zu machen. „Wir sind froh, dass die Polizei die Einsatzgruppe REX, die Betroffenen als Ansprechpartner dient und vom früheren Innensenator Frank Henkel aufgelöst worden war, wieder eingerichtet wurde“, sagt die Grünen-Politikerin, die im antirassistischen Bündnis Neukölln mitarbeitet. Sie versteht, dass sich viele Engagierte alleingelassen fühlen. Umso wichtiger sei es, sich zu solidarisieren und nicht einschüchtern zu lassen. Als Beispiel nennt sie das Festival „Offenes Neukölln“, das vor zwei Wochen mit rund 100 Veranstaltungen im ganzen Bezirk viele Menschen angezogen habe. „Das Festival war eine direkte Reaktion auf die rechte Anschlagswelle.“ Dass das Bündnis Neukölln wachse, mache ihr Mut.
Nils Michaelis, Bild: imago/Christian Mang /