Wildschweinplage: Die Schwarzkittel haben längst nicht nur die Randzonen Berlins erobert / jetzt fordert die CDU vom Senat wirksamere Strategien.
„Du altes Schwein im Trüffelbeet/Weißt du auch stets, wie gut’s dir geht?“ Joachim Ringelnatz reimte seinerzeit ironisch – allerdings gemünzt auf den „Mann im Spiegel“. Was heutzutage immer mehr Berliner verzweifeln lässt, sind echte sich durch Gärten, in Parks und auf Friedhöfen wühlende Wildschweine, die es sich dort gut gehen lassen. Bis zu 4.000 Tiere durchstreifen längst nicht mehr nur die Randzonen der Stadt, ständig auf der Suche nach Nahrung.
Die alles fressenden Borstentiere sind enorm anpassungsfähig und tierisch klug. Sie bewegen sich, als wüssten sie, dass sie im geschützten Stadtgebiet nur mit strengen Auflagen geschossen werden dürfen, schon gar nicht die Muttertiere. Allerdings gilt das nicht bei Gefahr im Verzug: Als im vergangenen Januar unweit des Kurt-Schumacher-Platzes im Volkspark Rehberge ein aggressiver Keiler Menschen angriff und eine Frau verletzte, erschoss ein Polizist das Tier kurzerhand. Indes war die Rotte über alle Berge.
Tagaktive Schweine
Doch Begegnungen dieser gefährlichen Art sind eher die Ausnahme. Sie eskalieren vor allem dann, wenn man die Tiere in Bedrängnis bringt. Denn sie haben sich längst an die Menschen gewöhnt. Inzwischen hat sich gar eine besondere Spezies entwickelt – die nicht nur nachts, sondern auch am Tag äußerst aktiven waschechten Stadtschweine. Einerseits ist deren wachsende Population dem Klimawandel geschuldet: In den milden Wintern überleben immer mehr Frischlinge. Doch andererseits ist das auch ein von Menschen gemachtes Problem: Immer mehr Schneisen und Rodungen rauben den Tieren ihre arttypischen Waldreviere. Also wandern sie dorthin, wo es reichlich Nahrung gibt, verwüsten Felder und siedeln um in die gartenreichen Stadtgebiete. Wenn auch selten hoch gefährlich, so doch eine wachsende Plage und kostenintensives Ärgernis. Stephan Schmidt, bezirkspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, fordert den Senat energisch auf, das „Wildschwein-Problem endlich ernst zu nehmen“.
Erhebliche Schäden
Schmidts Wahlkreis von Tegelort über Konradshöhe bis rein nach Tegel ist besonders betroffen. Die hier rasant gestiegene Zahl der Borstentiere führt er vor allem auf ihre vermehrte Bejagung in den innerstädtischen Wäldern und ihre Vertreibung in die Außenbezirke zurück. Das sei keine Lösung. „Neben erheblichen Schäden in Parks und Gärten, sind insbesondere die Bachen mit Frischlingen eine Gefahr für die Menschen, vor allem Kinder sind gefährdet“, sagt er. Gefährlich auch für den Straßenverkehr, da die Tiere aufgrund ihres Tarnkleides nachts nur schwer erkennbar sind.
Allerdings sieht er auch im menschlichen Verhalten Ursachen für die Plage: „Wer nach einer Grillparty Speisereste liegen lässt, kann seinen ganzen Kiez zum Revier für eine Wildschweinrotte machen“, warnt Schmidt. Eine breite Aufklärung sei dringend nötig. Außerdem müsse die Population wirksamer kontrolliert werden – etwa mit Futtermitteln, die die Fruchtbarkeit einschränken. Im Zweifel müsse auch die stärkere Jagd erlaubt sein. Schmidt: „Derzeit fehlt es jedenfalls an einer nachhaltigen Strategie und diese fordern wir jetzt ein.“ Wohl alles notwendig und richtig. Doch wollen wir dem Teufelskreis dieses desaströsen Mensch-Tier-Verhältnisses entkommen, müssen wir den Borstentieren zurückgeben, was ihnen von Natur aus zukommt – einen gesunden, mit Dickichten und Feuchtgebieten ausgestatteten Wald.
J. Zweigert, Bild: imago/blickwinkel